Schikanen, Verhöre, Verhaftungen, Mord

■ Wie man in Angola als Journalist lebt – oder stirbt: Eine Chronik der letzten Monate

Ende Dezember 1993: Der freiberufliche Journalist Gustavo Costa erhält Morddrohungen, nachdem er der BBC Berichte über Korruption in Angolas Regierung eingereicht hatte.

Januar 1994: Das staatliche Radio Nacional fordert von den Journalisten „Patriotismus“ statt Berichte, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden. In Editorials wird aufgefordert, das Pressegesetz gegen ausländische Korrespondenten anzuwenden, die solche Berichte schreiben, weil „in jedem Land im Kriegszustand die Pressefreiheit ihre Grenzen hat“.

21. Januar 1994: Morddrohungen gegen Aguiar dos Santos, Korrespondent der portugiesischen Tageszeitung O Público, werden bekannt. Die Zeitung hatte am 30.12.1993 einen Artikel veröffentlicht, der drei angolanische Minister der Korruption verdächtigte.

Ende April 1994: Der Journalist und Menschenrechtler William Tonet, Präsident des Angolanischen Menschenrechtsvereins Associação dos Direitos Humanos de Angola (ADHA) wird verhaftet und angeklagt, ein 16jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben. Fast zur gleichen Zeit wird sein Kollege Lourenco Adao Agostinho, ADHA-Generalsekretär, verhaftet und der Veruntreuung von Geldern angeklagt. Die Verhaftungen folgen unmittelbar nach Veröffentlichung eines ADHA-Berichts, der die Haftbedingungen in Luandas Gefängnissen anprangerte.

6. Mai 1994: João Mavinga, Cabinda-Korrespondent der staatlichen Tageszeitung Jornal de Angola, wird von der Polizei verhört, nachdem er über einen Radiosender der Unabhängigkeitsbewegung von Cabinda „Flec“ einen Aufsatz geschrieben hat. Tags darauf stürmt die Polizei die Wohnung des Radioreporters Francisco Fino, der zusammen mit einem Kameramann des staatlichen Fernsehens ein Interview mit Mavinga gemacht hatte, schlägt beide und zerstört die Fernsehkamera. Mavinga wird die folgenden Tage zum erneuten Verhör von der Polizei festgenommen. Agence France Press hatte am 30. April gemeldet, daß Regierungstruppen planten, den „Flec“-Radiosender zu zerstören.

19. Mai 1994: Die Polizei verhört Leopoldo Baio, Redakteur von ImparcialFax, der eine Beteiligung der Polizei an illegalen Autoverschiebungen aufdeckte. Baio weigert sich, seine Quellen preiszugeben. Am folgenden Montag wird auch ImparcialFax-Chefredakteur Ricardo de Mello vernommen, verweigert jedoch ebenfalls eine Preisgabe der Quellen. De Mello wird daraufhin zu Familienmitgliedern und Freunden vernommen, die bei der Polizei arbeiten.

Ebenfalls um den 19. Mai herum wird Ric Kinayelako, Redakteur der Zeitung einer Oppositionspartei (Batugue Amana), in seiner Wohnung von Personen in Armeeuniformen angegriffen; sie nehmen Dokumente und Geld mit und zerstörten eine Kamera. Kinayelako hatte vor, Angola Richtung Zaire zu verlassen, um den dortigen Druck seiner Zeitung zu betreuen.

Polizei gegen polizeikritische Recherche

Um dieselbe Zeit beklagen sich Journalisten in Lubango im Süden des Landes über polizeiliche Übergriffe nach der Veröffentlichung von Artikeln über eine angebliche Beteiligung der Polizei am Organisierten Verbrechen. Angolas Ministerpräsident Marcolino Moco will, wie verlautet, die Entlassung der Chefredakteure von TPA und Jornal de Angola, nachdem beide Staatsorgane ein regierungskritisches Interview mit dem Ökonomen José Cerqueira gebracht hatten. Beobachter in Angola berichten von wachsendem Druck konservativer Kreise innerhalb der Regierungspartei MPLA, rigoros vor allem gegen private Medien sowie für die ausländische Presse arbeitende angolanische Journalisten vorzugehen. Offensichtlich können aber gemäßigte Kräfte die Beibehaltung der pressefreundlichen Gesetzgebung durchsetzen.

12. Juni 1994: Chris Simpson, Korrespondent der BBC und der Nachrichtenagentur IPS, wird für eine Woche inhaftiert, nachdem er sich in einem Gefängnis von Luanda bemüht hatte, Südafrikaner zu interviewen, die wegen Drogenhandels einsitzen. Simpson wird nach Verhängung einer Geldstrafe auf Bewährung freigelassen.

Ebenfalls im Juni wird der BBC-Reporter Gustavo Costa von Angolas Ölminister Albina Affis wegen Verleumdung verklagt, nachdem er über angebliche Veruntreuung von Geldern berichtet hatte.

Anfang Juli 1994: ADHA-Präsident William Tonet wird daran gehindert, wegen seines schwebenden Gerichtsverfahrens Angola zu verlassen, um als Wahlbeobachter an den Wahlen in Guinea-Bissau teilzunehmen.

4. bis 6. September 1994: In den Abendstunden dieser drei Tage bekommt die Familie des Journalisten Anonio Gouveia, Exekutivmitglied von SJA, in ihrer Wohnung in Luanda Drohanrufe.

20. September 1994: Mariano Costa, Reporter bei ImparcialFax, wird von Sicherheitsagenten nach seiner Rückkehr aus Portugal auf dem Flughafen von Luanda verhaftet, für 28 Stunden ohne Anklage festgehalten und von Mitgliedern der „Informationsabteilung“ des Innenministeriums (SINSO) zu Berichten verhört, die er über die Unita verfaßt hatte. Costa bleibt ungeschoren, doch bei seiner Freilassung wird er gewarnt, „keinen Lärm“ über seine Festnahme zu machen.

14./15. Januar 1995: Einbruch in die Büroräume des Wochenblatts Comércio e Actualidade. Computer und andere elektronische Geräte werden gestohlen und die Ordner des Magazins durchsucht.

18. Januar 1995: Ricardo de Mello, Chefredakteur von ImparcialFax, wird vor seinem Wohnhaus in Luanda erschossen. Am gleichen Tag wird Público-Korrespondent Aguiar dos Santos in Luanda unsanft von zwei Fahrzeugen gestoppt; sechs bewaffnete Männer steigen aus und geben zwei Warnschüsse ab.

26. Januar 1995: Der ImparcialFax-Reporter Mariano Costa wird nach Angaben von SJA in Luanda angegriffen. Costa hatte nach dem Mord an de Mello Zuflucht bei ausländischen diplomatischen Vertretungen und befreundeten Organisationen gesucht. Als er sich seinem Zufluchtsort nähert, hält ein allradangetriebenes Fahrzeug neben ihn; vier in Zivil gekleidete Personen springen heraus und versuchen, Costa ins Auto zu zerren. Er reißt sich los, wird aber von weiteren Personen in einem VW- Bus abgefangen. Schließlich gelingt dem Journalisten die Flucht. Nach Angaben von ImparcialFax- Mitarbeitern gehörte eines der Fahrzeuge der Angreifer dem Innenminister André Petrof. David Lush