Wenn Frau Müller meisert ...

... beginnt für den RTL-Fernsehmoderator Hans Meiser „schweinemäßig die Arbeit“. Ein Blind date zwischen Deutschlands erfolgreichstem Daily-talker und einer seiner treuen Zuschauerinnen  ■ Organisiert von Bascha Mika

Herr Meiser

Er könnte Meier heißen oder Müller. Er heißt Meiser, Hans. Wie seine Sendung. Herr Meiser wirkt total normal. Hübsch häßlich, nicht zu dick, verheiratet, zwei Kinder. Sein Lächeln ist freundlich, seine Ausstrahlung Dutzendware, und seine Klugheit bringt niemanden um. Ein Nachbar, wie wir ihn uns wünschen. Sein Durchschnitt hat Seltenheitswert. Deshalb ist Herr Meiser Moderator beim Fernsehen. Einer, den man sich nachmittags zum Plaudern einlädt, denn die Nachbarn sind nicht so nett und lassen sich auch nicht beliebig abschalten. „Hans Meiser“ kommt werktags immer. Von vier bis fünf. Heute zum fünfhundertstenmal auf RTL.

Für wen meisert er, dieser Endvierziger mit dem diskreten Charme der Mittelmäßigkeit? „Als ich früher Radiomoderator war, hab' ich mir vorgestellt, daß mich mein Vater oder meine Frau hört“, sagt er und futtert eine Schokoladenkugel. Und heute? „Ich weiß nicht ...“ Er zuppelt am graumelierten Haar, als würde dort die Antwort stecken, „ein Millionenpublikum stell' ich mir nicht vor... Im Studio mit den Zuschauern, da fühl' ich mich sauwohl. Die hab' ich im Griff.“ Er grinst zufrieden. Dabei sieht sein Gesicht dem, das er in die Kamera hält, zum Verwechseln ähnlich.

Ob jemand um die erste Liebe trauert oder um seinen Hund, ob er im Knast leidet oder unter Falten, von seinem Partner betrogen wird oder von der Bank – alles Alltag, alles Thema bei Meiser. Ein bißchen seelischer Ratgeber, ein bißchen praktische Hilfe, leicht konsumierbar verpackt. Infotainement. Eine Handvoll Gäste, drei Hände voll Publikum, ein professioneller Studiobetrieb. Der Showmaster ist unaufdringlich präsent – „viele Fernsehnasen nehmen sich zu wichtig“ –, hält seine Gefühle und die der Gäste im schicklichen Zaum – „Wir setzen keinen drauf“ – und stellt sich gern so dumm, wie wir alle sind: „Das versteh' ich nicht, das müssen sie mir genauer erklären.“

An den Bildschirmen hängen rund drei Millionen Menschen, der Werbeplatz ist perfekt. „Die Sendungen sind sicher nicht alle kritisch“, gibt Meiser das Offensichtliche zu, „sonst würde man uns bald ins Fegefeuer schicken.“ Er sei ja nicht als Lehrer angetreten, sondern nur eine Art Katalysator. Trotzdem glaubt er, daß das Publikum immer wieder Neues lernt und erfährt. „Und natürlich will ich“, fast scheint sich der Mann des Privatsenders für diese öffentlichHerr Meiser

rechtliche Antwort zu schämen, „auch etwas erreichen bei meinen Zuschauern, so eine Art Bewußtsein schaffen.“

Er hockt in seinem Büro, in fernsehuntauglichen Jeans – „mir ist es scheißegal, wie ich aussehe“ – und plaudert, als sitze vor ihm sein Publikum, das er vor der Sendung ein wenig „aufwärmen“ muß. Hier ein kleines Witzchen, da eine schnelle Anekdote, noch eine und noch eine. Fast scheint es, als wolle er, der bei seinen Studiogästen nie hartnäckig nachbohrt, auch sich selbst vor lästigen Fragen schützen. Oder will er beweisen, daß bei Meiser alles Meiser ist?

Die Show funktioniert. Bis auf die unruhigen Gebärden, mit denen er seinen Körper in ständiger Bewegung hält, und die Rastlosigkeit, mit der er durch das Gespräch stürmt. Der Fernseh-Meiser gibt sich gelassen, doch fern der Kamera drängelt und stürzt er voran, unterbricht hemmungslos. „Gnadenlose Ungeduld und daraus resultierende Ungerechtigkeit, das ist meine schlechteste Eigenschaft.“

Wer guckt Meiser? „Ich wunder' mich immer über die Bandbreite des Publikums“, sagt der Talkmaster mit naiver Eitelkeit und pellt eine weitere Schokokugel aus dem Glanzpapier, „da spricht mich der Geschäftsführer im Sportgeschäft an, und ich frage mich: Woher nimmt der denn nachmittags die Zeit?“ Das gefällt Hans Meiser: Menschen, die mitten im Leben stehen und sich trotzdem Hans Meiser gönnen. „Natürlich“, meint er zögerlich, „gucken auch die, die eigentlich überhaupt nichts zu tun haben.“

Mehr als die Hälfte von Meisers Publikum sind Frauen. „Dafür hab' ich nie eine Erklärung gefunden“, behauptet er und zupft hilflos am silbergrauen Haar. Tatsächlich brauchte er nur die Fernsehgazetten aufzuschlagen, um das zu erfahren. Daß er das Image eines Gesprächspartners hat, den sich Frauen wünschen, steht da. Daß er eine Ausstrahlung hat, so seriös, so väterlich und letztlich dem eigenen Mann doch so ähnlich, daß Frauen problemlos ihre Träume und Phantasien mit ihm bevölkern können, steht da allerdings nicht.

Meiser ist der erfolgreichste deutsche Daily-talker. „Erfolg korrumpiert, aber ich bemühe mich, es in Grenzen zu halten.“ Er brasselt täglich wie ein Malocher – „die Fernsehnasen verdienen ein Schweinegeld, da sollen sie auch schweinemäßig arbeiten“ – und graust sich nur vor einem: daß die Einschaltquoten sinken.