In den Akten nur Spitzel über Spitzel?

■ Reiner Kunze verläßt aus Protest das PEN-Zentrum

Berlin (taz/dpa) – Späte Folgen eines Interviews: Wegen einer Äußerung des Präsidenten des westdeutschen PEN-Zentrums, Gert Heidenreich, die am 2. März 1992 in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war, hat jetzt der Schriftsteller Reiner Kunze seinen Austritt aus dem PEN erklärt. Kunze war durch einen Kommentar von Günter Kunert, in dem Heidenreich zitiert wird, auf den Text aufmerksam geworden. Heidenreich hatte gesagt: „Aus den Akten lerne ich nur, daß Spitzel über Spitzel etwas aufgeschrieben haben.“

In einem Brief an Heidenreich habe er um eine Bestätigung des Zitats, um Bedauern oder eine Entschuldigung nachgefragt, erklärte Kunze am Samstag im Berliner Tagesspiegel.

Heidenreich habe geantwortet, so Kunze in seinem Brief, er habe sich mit seiner Äußerung auf feste Stasi-Mitarbeiter und freie Inoffizielle Mitarbeiter bezogen. Kunze betonte, der ihm jetzt vorliegende Wortlaut des Interviews könne diese Darstellung nicht stützen. „Sie haben auf die Lüge gesetzt“, warf Kunze dem PEN-Präsidenten vor. „Zuerst denunziert und dann angelogen zu werden, bin ich müde.“ Außerdem signalisierte Kunze seine Ablehnung von Heidenreichs Kurs, den westdeutschen und den ostdeutschen PEN zusammenführen zu wollen. Mehrere Autoren, unter ihnen Günter Kunert, Herta Müller und Sarah Kirsch, haben bereits gegen Fusionspläne protestiert und auf die Vergangenheit des Ost-PENS als Stütze des SED-Regimes verwiesen. Kunze hat schon einmal in einer ähnlich gelagerten Sache öffentlich seinen Austritt erklärt: Als die Westberliner Akademie der Künste die En-bloc-Übernahme von Mitgliedern der Ostberliner Akademie beschlossen hatte, gehörte er mit Günter Kunert zu den ersten, die von Bord gingen. jl