■ Rehhagel zum Zehnjährigen
: „So ein richtiger Deutscher“

Vor vier Jahren, bei seinem zehnjährigen Jubiläum bei Werder, hörte sich Otto Rehhagel noch ganz anders an. Wir dokumentieren Auszüge aus einem taz-Interview vom 2.4.1991.

Nach zehn Jahren in Bremen - ist da nicht der Punkt gekommen, zu sagen: Ich habe jetzt über zehn Jahre bewiesen, daß ich über lange Zeit erfolgreich sein kann. Jetzt beweise ich das noch einmal andernorts.

Ja, natürlich habe ich oft daran gedacht. Aber ich weiß ja, daß woanders die Schwierigkeiten die gleichen sind. Das hört sich zwar schön an, wenn ich sage: „Ich arbeite in Rom.“ Wissen Sie, die ewige Stadt Rom ist sehr dreckig. Wenn Du da auf ein Taxi wartest, dann schwitzt Du Dich tot. Ich bin ja so ein typischer Deutscher. Das müßt Ihr richtig verstehen; Pünktlichkeit und Höflichkeit, als konservativ. Das muß alles stimmen. In Italien stimmt ja gar nichts. Wenn ich dahin in Urlaub fahre, in Ordnung. Aber wenn ich da arbeiten will: Die sind unpoünktlich, das ist alles nichts für mich. Dann sagt man: „Mit Geld ist alles ok.“ Du kriegst genug Kohle. Da kannste alles andere vergessen. Aber noch bin ich nicht soweit. Vielleicht kommt eines Tages der Punkt, wo ich sage: Für gutes Geld machste das mal und drückst viele Augen zu. Aber in Italien und Frankreich sind die Präsidenten ja die Götter, und der Trainer ist der Vorturner. Dazu habe ich keine Lust.

Beim Hallenturnier in der Stadthalle hat es zum ersten Mal während eines Fußballspiels in Bremen größere Ausschreitungen gegeben. Was kann ein Trainer, was ein Spieler dazu beitragen, daß es zu solchen Szenen nicht kommt?

Da gibt es keine Möglichkeiten für uns. Wir können höchstens vorleben. Ich brauche keinen Alkohol, ich brauche kein Nikotin. Ich kenne meine Frau 30 Jahre. Ich halte mich an die Regeln, die das Leben, die die Natur schreiben. Frühling, Sommer, Herbst und Winter, dann gibt es keine Probleme. Wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, und das wird es in jeder Gesellschaft geben, dann mußt du den bestrafen. Ich sage immer: Wehret den Anfängen. Das ist wie mit den Drogenabhängigen. Wenn ein Brand schwelt, dann mußt Du gleich mit dem Feuerlöscher hin. Wenn erst das Haus in Flammen steht, kannst Du nur noch flüchten.

Daran glaube ich fest. Und auch antiautoritäre Erziehung: Alles Kokolores, geht nicht. Der liebe Gott hätte die Menschen so schaffen müssen, daß sie zu jeder Zeit immer lieb und freundlich sind und jeder mit jedem gut umgehen kann. Eigentlich können die das. Wenn Sie mal junge Tiere nehmen oder junge Menschen: Die können wunderbar miteinander. Sind sie nachher älter, werden sie von den Älteren manipuliert.

Fühlen Sie sich hier zu Hause?

Ich kann überall leben. Aber ein außergewöhnlicher Glückszustand waren die letzten Jahre für meinen Sohn. FÜr den ist Bremen Heimat. Sonst gehst Du als Trainer alle zwei Jahre woanders hin.

Wie lange läuft Ihr Vertrag noch?

Wir sind uns einig: Es geht so lange, wie es geht. Und im Moment geht es gut. Einer der schönsten Augenblicke war, daß der Verein jetzt schuldenfrei ist. Daran habe ich auch mitgewirkt. Und: Wir haben Freunde in aller Welt. Als ich hier anfing, hat man uns in Oldenburg respektiert. Jetzt können wir nach Moskau oder New York gehen, und Werder hat dort ein unheimlich gutes Image. Das ist viel wichtiger als ein 1:0.

Fragen: Holger Bruns-Kösters