Ein Bett im Kornfeld

■ Austria-Kitsch: Niki List (Panorama)

Nach zehn Minuten war der Saal schon erheblich leerer. Vorher hatten in „Drag- Attack“ zwei Transvestiten einen flotten Super-8-Reise-Film über Männer in ständig wechselnden Frauenkleidern am Strand, vor dem Colloseum in Rom oder unter dem Brandenburger Tor gezeigt. Das hätte als Österreichs Berlinale-Beitrag genügt und versöhnlich gestimmt. Dann aber kamen anderthalb Stunden deprimierendes Neo-Noir-New-Wave-Revival von Niki „Müllers Büro“ List, neuinnerlicher Beziehungskitsch in Bols-Blau.

„Der Schatten des Schreibers“ handelt von einem halbseidenen Schriftsteller, den die weibliche Hauptperson seines neuen Romans heimsucht. Das Mädchen im Biedermeier-Hängerchen will nicht länger nur auf Papier den Leib für das hinhalten, was Robert (Hans Werner Meyer) bei Villon abgekupfert hat. Bald geht es entsprechend real durch Fahrstühle, Kornfelder und in schwarzem Satin ausgeschlagene Futonlager. Danach wird geschwollenes Zeug aus Cora-Heftchen geredet: „Im Vergessen sind wir die Könige der Narren“, und so weiter.

Weil List sich zu den Postmodernen zählt, müssen derweil viele Zitate durch den Film tapern. Ein Spanner wichst am Fenster zum Hof, gegenüber steigen Käferkolonien aufeinander. Carpenters Hund und Keseys Kuckucksnest- Indianer schauen kurz vorbei, eine Szene erinnert an irgendwas Alptraumhaftes mit Helmut Qualtinger aus den späten siebziger Jahren. Die aufgereihten Parodien sollen wahrscheinlich so ein bißchen Nikis Nihilismus symbolisieren, faßbindernd auf der Suche nach Filmemachers Selbst. Dann ist wieder genug mit Kamikaze 1995, und der ganze Stab blödelt sich im Stile alter Schlagerfilme mit Chris Roberts voran. Klarer Fall, demnächst auf RTL2. Harald Fricke

„Der Schatten des Schreibers“. Regie: Niki List. Österreich 1994, 87 Minuten