Fein säuberlich getrennt

■ „Rote Rose weiße Rose“ von Stanley Kwan (Wettbewerb)

In den Filmen von Stanley Kwan tickt immer irgendetwas nicht ganz richtig. Sie sperren sich der eindeutigen Zuordnung, ergehen sich in konventionellen Bildern, ohne die narrativen Vorgaben einzuhalten, oder ein Film beginnt erst dann so richtig, wenn der bis dahin mühsam eingeführte Protagonist sein Leben aushaucht. Kwans Filme werden stattdessen durch die Dynamik sexueller und emotioneller Verhältnisse strukturiert, darin Eric Rohmer nicht unähnlich, auch wenn Kwan seine komplizierten Erzähltechniken nicht wie jener hinter leblosen Bildern zu verstecken pflegt.

Kwan sucht sich seine filmischen Mittel aus dem Trash-Bereich. Für „Love Unto Waste“ wählte er die Seifenoper, und „Rote Rose weiße Rose“ kommt daher wie eine Courts-Mahler- Verfilmung: Zwischentitel wie auf Büttenpapier, Großaufnahmen der rosa Marzipanherzen auf der Hochzeitstorte, schwelgende Geigen, kurz: Der Schmelz trieft, während Zhen-bao sich in Jiao-rui, die Frau eines Freundes verliebt, die er wegstößt, um seine Karriere nicht zu gefährden, als sie sich wegen ihm scheiden lassen will. Stattdessen heiratet er Yen Li, ein unbeflecktes Mauerblümchen, für das er Herr und Meister ist, während er sich in Bordellen Befriedigung verschafft.

Der gute Zhen-bao hat das Syndrom vieler Männer, die Frauen in Huren und Heilige, in rote und weiße Rosen unterteilen, nur daß er die beiden auch noch zeitlich säuberlich trennt: Zuerst die rote, dann die weiße. Als er zu Jiao-rui zurückkehren will, weist sie ihn lächelnd ab. Sie weiß, daß man mit einem solchen Mann nicht leben kann.

Kwan siedelt seine Geschichte in einem irgendwie präkommunistischen Shanghai an, aber Ort und Zeit spielen keine Rolle. Es ist ein allgemeingültiges Bild der Geschlechterbeziehungen, ein Abgesang auf die kaputte Psyche des Mannes – wenn wir ehrlich sind, haben wir alle einen Zhen-bao in uns.

Bisher standen bei Stanley Kwan immer Frauen im Zentrum. Ob in seinem Debut „Women“, in „Rouge“, mit dem er auch im Westen bekannt wurde, oder „Love Unto Waste“, in dem der Star des Hongkong-Kinos schlechthin, Chow Yun-fat, eine seiner ersten Nicht-Action-Rollen spielte, immer waren Befindlichkeiten von Frauen der Mittelpunkt, versuchte Kwan die Perspektive von Frauen einzunehmen. Und eigentlich ist auch „Rote Rose weiße Rose“ ein Frauen-Film, weil er sich nur oberflächlich anders verhält, wenn er den Lebens- als Liebesweg des Protagonisten mitgeht. Der ist einfach hin- und hergerissen zwischen Moralkodex und seinem Schwanz, aber weder in der Lage, ein ausgewogenes Verhältnis der beiden zueinander zu finden, noch sich konsequent von einem Pol zu verabschieden. Die Frauen aber handeln oder handeln nicht – aber sie tun es wenigstens aus ganzem Herzen.

Sie ziehen Konsequenzen innerhalb des engen Rahmens, den ihnen die Konventionen lassen und werden sich selbst nicht untreu. Die ungleich freieren Männer enden da unweigerlich als lächerliche Gestalten. Thomas Winkler

„Rote Rose weiße Rose“, R: Stanley Kwan, B: Edward Lam, Liu Heng, nach einem Roman von Eileen Chang Rehyer. Mit Winston Chao, Joan Chen, Veronica Yip, Hongkong/ Taiwan, China 1994, 126 Minuten.