Wenig Zeit für Gespräche

■ Heute 19. Tag der Mahnwache: „In Sri Lanka ist noch kein Frieden“

Feierabendhast treibt gebückte Gestalten den Ostertorsteinweg hinauf. Vorbei am Abschiebeknast und am weißen Zeltdach der Mahnwachenden. Karuna und Anton, die beiden zierlichen Männer mit den großkarierten Wollschals, halten die Flugblätter wortlos hin: Keine Abschiebung nach Sri Lanka. Ein kurzer Blick, manchmal eine schnelle Unterschrift, dann eilen die Menschen weiter, und die beiden jungen Tamilen stellen sich zurück unters weiße Zelt zu dem Grüppchen Frierender. Noch zwei, drei Stunden, dann ist die letzte Schicht des 14. Mahnwachentages am Freitag vorbei.

„5.000 Unterschriften haben wir schon gesammelt.“ Loga Nathan hält sich an Fakten, als wären sie das einzig Verläßliche bei dieser Mahnwache gegen die Abschiebung tamilischer und singhalesischer Flüchtlinge aus Sri Lanka. Denn die Aktion ist auf unbestimmt befristet: „Bis der Abschiebestopp erlassen wird“. Er selbst ist nicht von Abschiebung bedroht. Er ist Bremer seit 15 Jahren, einer von 1.200 insgesamt, die aus Sri Lanka kamen. Auf jede Frage hat der Beredte eine Antwort. Nur wenn man ihn auf seine letzte Zeit in Sri Lanka anspricht, wird er knapp. „Es war nicht mehr auszuhalten“. Und das sei es immer noch nicht: „Es ist Krieg.“ Deswegen kommt er zur Mahnwache. „Schau, diese Frau ist vier Jahre hier, der Mann sechs. Sie sollen abgeschoben werden. Mit den Kindern.“ Loga Nathan schüttelt sich. Die beiden Kinder laufen sich warm, immer um die Bank herum, auf der die müden Eltern sitzen. Sechzehn Bremer Familien droht die Abschiebung ins vom Bürgerkrieg zerissene Land.

„Die Schulen sind kaputt und von medizinischer Versorgung träumst du nur.“ Anton Rixi erzählt, daß die tamilische Bevölkerung in der Hauptstadt Colombo sich auf den Ämtern registrieren lassen muß – und erntet Stirnrunzeln. „Kein gutes Zeichen“, sagt Loga Nathan.

„Wir wollen doch alle nach Hause“, sagt Loga Nathan sachlich. „Hier werden wir doch nichts.“ Vor der Flucht arbeitete der Mittvierziger für eine Ölraffinerie; neben ihm, der schmale Mann mit der tiefen Narbe am Hals, ist Apotheker, Anton Textilkaufmann. Wenn der von Sri Lanka spricht und von seinen beiden Kindern, die das Land noch nie gesehen haben, bekommt er Glanz in die Augen. Dann preßt er die Flugblätter an die Brust. Noch ist kein Frieden.

Das ist wieder Logas Einsatz mit den Fakten. Er hat schon mit der letzten Regierung über Frieden und eine mögliche Rückkehr der tamilischen Flüchtlinge verhandelt. „Aber es klappte nicht“. So wenig wie jetzt. „Alle Verbindungsstrecken von Colombo in die tamilischen Gebiete im Norden werden doch vom Militär kontrolliert. Das macht, was es will. Läßt die Menschen durch oder nicht. Oder kappt die Versorgung.“ Da könne die Präsidentin Kumaratunge Friedensgespräche führen, solange sie wolle. Sie sei doch selbst bedroht. Die Bombenfunde in ihrer Umgebung sprächen eine deutliche Sprache. Anton lacht bitter: „Da sollen wir sicher sein?“. Zum ersten Mal an diesem Abend spricht er schneidend klares Deutsch.

Die Familie steht leise auf und geht. Es ist 20 Uhr und zu kalt für die Kinder. „Wissen Sie, für uns ist das Klima hier gefährlich. Meine Tochter hatte gerade drei Wochen lang Husten“, erzählt Loga Nathan. „Hier werden wir sofort krank.“ Überhaupt sei vieles anders. Daß die Kinder in der Schule so viel über Sexualität sprechen. Und daß er selbst beim Flugblatt-Verteilen zu spüren bekommt: „Wir sind schwarz“. Das sagt er beiläufig, als er eigentlich vom Erfolg der Mahnwache berichten will – von deren faßbaren Aspekten. Denn das Gespräch mit Innensenator van Nispen steht noch aus, solange zählen die Flüchtlinge die Unterstützergruppen: „Mindestens zehn.“ Selbst von Mercedes war eine Delegation da. Und neulich kamen hundert Frauen auf einmal. Über die sprechen die tamilischen Familien immer noch.

Eva Rhode