Das Herz in hellen Flammen

■ Nie platschte die Sonne bei Capri so schön ins Meer: „Na so was“, die neue CD von Tim Fischer, passend zur neuen Show

Tim Fischer ist zurück. Der Junge, der mit 17 aus Oldenburg auszog und den kleinstädtischen Rollenvorstellungen nicht entsprechen wollte. Der friesische Goldjunge, der Glück und Unglück auf der Reeperbahn fand, im Hamburger „Schmidts Tivoli“ aufstieg und dann in Berlin versackte.

Zwei Jahre später begann dort sein Comeback, gestern stellte Tim Fischer seine dritte CD in der Bremer Schauburg vor. Minutenlanger Applaus geleitete Tim Fischer und seine Gäste Cora Frost, Hildegard Schmahl und den Pianisten Thomas Dörschel von der Bühne. „Bella, bella, bella Marie, vergiß mich nie“, hatten Tim und das begeisterte Bremer Publikum kurz vorher noch gemeinsam gesungen und sich ihrer gegenseitigen Liebe versichert.

Lange ist das deutsche Liedgut der vergangenen sechzig Jahre nicht mehr so ausdrucksstark gesungen worden. Wer hätte je gedacht, daß „Der letzte Tanz“ von Christian Anders wiederbelebt wird? Der Schmachtfetzen aus den 70er Jahren gerät bei Tim Fischer zur Persiflage auf den romantischen Schlager, er verwandelt die Bühne der Schauburg in die Studiowelt der „Hitparade“. Wo ist Dieter Thomas Heck?

Wie das Live-Programm bietet auch die CD (vom Jungen Theater und Radio Bremen produziert) einen Reigen populärer Musik. Aus Tims Anfängen mit Liedern von Zarah Leander ist nur ein Medley übriggeblieben, dafür hat er Stücke von Friedrich Hollaender, Ernst Marischka und Georg Kreisler ins Repertoire aufgenommen. Eingerahmt in eine Ouvertüre und ein Finale (Rainer Bielfeldt), sind die 18 Chansons und Lieder spannend gereiht. Mal empört, mal zärtlich aber immer kraftvoll nutzt Tim Fischer die Höhen und Tiefen seiner Stimmbänder aus, um den einzelnen Stücken die nötige Schwere oder Lebensfreude zu geben. Die unvermeidlichen Capri-Fischer runden das Arrangement ab. Bei dem einzigen Live-Mitschnitt platscht die Sonne genauso schön ins Wasser, wie bei Tim auf der Bühne. Das anzügliche und doch altbackene Lied „Na so was“ (1937) von Hans Fritz Beckmann hat Tim zum Motto der CD gewählt. Die frivole Geschichte von Herrn Krause, der Frau Krause mit einem Liebhaber erwischt und zuschauen möchte, interpretiert Tim Fischer ironisch und mit Schmackes. „Das sowas auf der Welt passiert, das hätte ich nie gedacht“, glaubt niemand seinem süffisanten Unterton.

Schnulzig und bitterböse ist Tims Duett mit Rainer Bielfeldt. „Wir zwei sind ein Paar“ ist leider die einzige Neukomposition auf der ganzen Platte. Den brillianten Text schrieb Edith Jeske, die seit Jahren mit dem Komponisten Rainer Bielfeldt zusammenarbeitet. Harmlos melodiös klimpert das Stück heran, der Refrain „wir zwei gehören lebenslang zusammen, unsere Liebe ist ein himmlisches Geschenk, für immer steht mein Herz in hellen Flammen“ setzt sich im Ohrenschmalz fest. Aber Tim und Rainer lösen den Traum vom ewigen Glück auf, trällern sich die Gemeinheiten einer langjährigen Ehe an den Kopf. „Was Dich zusammenhält ist nur noch Dein Korsett / Es leidet nicht allein das Haar bei Dir an Schwund / Du bist mein Liebesspiel, so biegsam wie ein Brett / Und außerdem, mein Liebling, riechst Du aus dem Mund / Wenn Du Dich ändern würdest, wäre alles gut.“ Wer kann bei soviel wahrer Poesie noch das Ohr vom Lautsprecher nehmen? Ulrike Fokken