Blondinen können lesbisch sein

■ Studie: Berliner SchülerInnen wünschen sich mehr Information über Homosexualität / Jugendsenatsverwaltung will Lehrer als Ansprechpartner

„Ich habe überlegt, ob meine Tante, die mit einer Frau zusammenlebt, lesbisch ist. Ich kam zu keinem Ergebnis, traute mich allerdings nicht, sie zu fragen.“ Die Antwort der 15jährigen Schülerin ist typisch für das Verhältnis von Berliner Jugendlichen zu Lesben und Schwulen. Ihr Interesse dafür ist groß, aber sie haben wenig Möglichkeiten, sich zu informieren. Dies ergibt eine Studie, die die Senatsverwaltung für Jugend und Familie gestern vorgestellt hat.

68 Prozent der befragten Jugendlichen wünschen sich, daß das Thema Homosexualität häufiger und ausführlicher in der Schule behandelt wird. Das Angebot, daß junge Lesben und Schwule in den Unterricht kommen, um mit den SchülerInnen zu diskutieren und Fragen zu beantworten, stößt auf großes Interesse. „Das zeigt, daß wir den richtigen Weg beschritten haben“, erklärte Staatssekretär Klaus Löhe gestern bei der Präsentation der Studie. „Der Senat muß noch erheblich mehr leisten in dieser Richtung.“ Löhe sprach sich dafür aus, daß an den Schulen künftig ein oder zwei Lehrer benannt werden, die, ähnlich wie Drogenkontaktlehrer, für die Schüler als Ansprechpartner zu Verfügung stehen. „Es würde Sinn machen, wenn homosexuelle Lehrer dies übernehmen würden“, sagte Löhe.

Für die Studie wurden 1.400 Fragebögen ausgewertet, die die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen des Jugendverbandes Lambda vor ihrem Besuch in den Schulklassen verteilten. Zwar sind die SchülerInnen überwiegend aufgeschlossen, ihre Vorstellung von Lesben und Schwulen ist jedoch stark von Klischees geprägt. Schwule werden als „tuntig“ oder als „Lederkerle“ beschrieben, von Lesben können sich die wenigsten ein Bild machen.

Ein großer Teil der Fragen dreht sich um Diskriminierung. „Ich frage mich immer, wie diese Menschen mit den Problemen, die damit verbunden sind, fertig werden“, überlegt eine vierzehnjährige Schülerin. „Für die meisten Schüler ist es eine völlig neue Erkenntnis, daß es Lesben und Schwulen gut damit geht“, stellt Karin Schupp, die Autorin der Studie, fest. Seit vier Jahren sucht die 29jährige Publizistin regelmäßig Schulklassen auf. Eine Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie merke ich, ob ich lesbisch oder schwul bin? Deutlich wird aber auch eine gewisse Unsicherheit: „Wie muß man sich solchen Leuten gegenüber verhalten?“ fragt eine 14jährige.

Zuweilen ist auch Abwehr spürbar. „Ich würde mich nicht mit diesen Leuten treffen“, stellt ein 16jähriger fest. Eine 13jährige: „Ich habe nichts gegen diese Leute, bloß sollen sie sich nie in der Öffentlichkeit küssen.“ Einige äußern Gefühle wie Angst oder Ekel.

„In der Regel sind die Jugendlichen aber aufgeschlossener als die Eltern“, stellt Karin Schupp fest. Meist können sie weder mit ihren Eltern noch mit den Lehrern offen über Homosexualität reden. Für viele sind Medien die wichtigste Informationsquelle. Auch prominente Lesben und Schwule bestimmen stark das Bild der SchülerInnen. Am häufigsten nannten sie Fernsehstars wie Hella von Sinnen, Hape Kerkeling oder Alfred Biolek.

Manche Antworten zeigen aber auch, daß die Jugendlichen sehr wohl die Klischees hinterfragen, wonach Lesben beispielsweise als „männlich“ charakterisiert werden: „Auch die hübscheste Blondine kann lesbisch sein.“ Dorothee Winden