Verbaler Brandsatz der Jungen Union

■ Der ehemalige Bundessprecher der JU zur Diskussion um das Holocaust-Denkmal

Holger Doetsch (30) ist Mitglied der Berliner Jungen Union (JU) und Sprecher der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag.

taz: Der Landesausschuß der JU hat sich mehrheitlich gegen die vom Senat beschlossene Errichtung eines Holocaust-Denkmals am Potsdamer Platz ausgesprochen. Landesgeschäftsführer Thorsten Dorn wählte hierfür in einer Presseerklärung des CDU- Nachwuchses die Überschrift: „Kein Juden-Denkmal am Potsdamer Platz“. Wie finden Sie das?

Holger Doetsch: Als ich diesen Dreck gelesen habe, kam mir der Kaffee von der Kommunion hoch. Eine solche Wortwahl kann nicht einfach als Entgleisung abgetan werden. Hier wurde ein verbaler Brandsatz geschmissen. Ich erwarte von Mitgliedern des JU-Landesausschusses, daß sie die Notwendigkeit eines sprachlich sensiblen Umgangs mit unserer Vergangenheit kennen. Wer wie der Berliner Landesausschuß eine solche Gedenkstätte ablehnt, entzieht sich seiner geschichtlichen Verantwortung.

Sprachliche Sensibilität, reicht das als Erklärung aus? Ist die Formulierung nicht vielmehr Ausdruck einer Mentalität, die in Kreisen der Berliner JU seit längerem hoffähig geworden ist und nun laut nach außen getragen wird?

Es ist in der Tat nicht in erster Linie die Pressemitteilung, die skandalös ist. Viel schlimmer finde ich, daß der Landesausschuß überhaupt einen solchen Beschluß herbeigeführt hat. Das ist einfach nicht mehr tragbar.

Offenbar gibt es aber das Bedürfnis, sich derart zu artikulieren.

Teilen der JU in Berlin ist es nicht zum ersten Mal gelungen, ein Thema mit der Sensibilität eines Vorschlaghammers anzupacken. Der Landesverband muß sich ernsthaft fragen lassen, wie lange er noch zusehen will, daß sich bei ihm offenbar rechtsextreme Tendenzen breit machen. Die vernünftigen Kräfte in der Berliner JU müssen stärker dieser Entwicklung entgegentreten.

Der Landesvorsitzende Heiner Kausch hat sich von der Überschrift der Presseerklärung distanziert, zugleich aber die Ablehnung des Holocaust-Mahnmals mit dem Argument verteidigt, es gebe genügend Denkmale in der Stadt, die Mittel könnten besser für den deutsch-israelischen Jugendaustausch verwendet werden.

Mit Distanzierung allein ist es nicht mehr getan. Die Forderung, die Gelder für andere Projekte zu verwenden, ist ein schwacher Versuch, von dem eigentlichen Skandal abzulenken. Herr Kausch muß den Beschluß noch einmal auf die Tagesordnung des Landesausschusses setzen, damit darüber vernünftig diskutiert werden kann. Eine Larifari-Erklärung reicht nicht aus. Zu Herrn Dorn fällt mir nur ein: Wenn ich in meiner Eigenschaft als Fraktionsprecher eine solche Presseerklärung ohne Absprache mit meinem Chef formuliert hätte, säße ich am nächsten Tag auf den Fluren des Arbeitsamts.

Der Berliner CDU-Generalsekretär Dieter Ernst hat die Junge Union aufgefordert, sich noch einmal inhaltlich mit dem Beschluß zu befassen. Bisher hielt sich die Landespartei gegenüber ihrer Jugendorganisation zurück.

Die Selbständigkeit der JU kann nicht zur Folge haben, daß das Gesamtbild der CDU versaut wird. Deswegen hat Herr Ernst mit seiner Forderung recht. Der Fall hat mittlerweile solche Dimensionen angenommen, daß auch eine Stellungnahme des Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen dringend angebracht wäre. Ein Schweigen aus Parteiräson ist völlig fehl am Platze. Interview: Severin Weiland