■ Mexikos Regierung stellt die Offensive in Chiapas ein
: Und gelöst ist überhaupt nichts

Mexikos Präsident Ernesto Zedillo hat gepokert. Tagelang ist die mexikanische Armee den Guerilleros im chiapanekischen Regenwald hinterhergejagt und hat dabei nach eigenem Bekunden alle wesentlichen Stützpunkte der Zapatistas eingenommen. Die Offensive hat die Bewegungs- und vor allem die Artikulationsmöglichkeiten der Zapatistas eingeschränkt – und nun hält Zedillo staatsmännisch inne und bietet erneut eine friedliche Lösung an. Offenbar ist das genau die notwendige Gratwanderung zwischen den Interessen der ausländischen Geldgeber, die nach der hausgemachten Finanzkrise vom vergangenen Dezember wenigstens politische Stabilität wünschen, und dem, was in der Guerilla-Bekämpfung tatsächlich machbar ist.

Zedillo hat Handlungsfähigkeit demonstriert – durch die Offensive und durch das erneute Verhandlungsangebot. Das muß zunächst reichen, um die Geldgeber zu beruhigen – tatsächlich aber scheint Mexiko von politischer Stabilität weit entfernt.

In Chiapas hatten sich de facto zwei Regierungen etabliert, die offizielle und die zapatistisch gestützte Gegenregierung des Amado Avendaño. Nun ist der offizielle Gouverneur Eduardo Robledo zurückgetreten. Genau in dem Moment, wo Zedillo durch die Militäroffensive Stärke zeigen wollte, demonstriert der Rücktritt Robledos das schlechte Gewissen der Staatspartei, die genau weiß, daß es an ihr ist, tiefgehende politische Reformen zuzulassen, um so etwas wie politische Stabilität wiederherzustellen. Es ist diese Ambivalenz, dieses Nebeneinander von Machtanspruch und Reformnotwendigkeit, was die PRI im vergangenen Jahr an den Rand der Politikunfähigkeit gebracht hat.

Zedillo hatte die politischen Reformen unter Beibehaltung des Machtanspruchs durchsetzen sollen, nachdem Carlos Salinas in seiner Amtsperiode scheinbar die Wirtschaft in Ordnung gebracht hatte. Was von dieser Ordnung zu halten war, hat sich im Dezember gezeigt – das Kartenhaus von künstlich hochgehaltenem Peso und damit verbundenen Investitionen brach schneller zusammen, als die Zapatisten tatsächlich hätten pusten können. Das Vertrauen in die mexikanische Wirtschaft ist nicht so schnell wiederherzustellen – nun mußten die Zapatisten herhalten, um gegenüber dem Ausland zu demonstrieren, daß Mexiko eben doch eine Regierung hat.

Und so schwankt die Regierung hin und her, die Zapatistas – erstmals seit einem Jahr wieder in der Defensive – schwanken mit, die Regierung wird wohl den 50-Milliarden-Kredit aus den USA erhalten, und gelöst ist überhaupt nichts. Bernd Pickert