Liberale Horrorkistchen

■ Eine Ausstellung der Berliner FDP zeigt Stücke aus der "Schreckenskammer" der Berliner Baupolitik / Der gegeißelte Architekt Josef Paul Kleihues reagiert verärgert / Wahlkampf statt Sachlichkeit

Beim Thema Hauptstadtplanung geht bei den Berliner Liberalen scheinbar die Angst um. Oder schüren sie nur diese? Horrormäßig, schlimm und triste lauten die Bezeichnungen, die den Freidemokraten aus dem Abgeordnetenhaus einfallen, schauen sie etwa auf die Entwürfe zum Pariser Platz oder den Lustgarten. Neumodisches statt historischer Rekonstruktion soll dort entstehen. Igitt. Und Unsägliches wird nicht nur dort gebaut: In einer Ausstellung in der Straße Unter den Linden 41 versucht die FDP zu demonstrieren, daß fast die gesamte „neue Mitte Berlins zu einem Alptraum“ wird, haut man nicht endlich auf die (Wahlkampf-)Pauke.

Auf die schlug – ganz im Sinne der Freidemokraten – erst einmal der in der Schau gegeißelte Architekt Josef Paul Kleihues. Per einstweiliger Verfügung wollte er den Liberalen untersagen, seine beiden Entwürfe zum „Haus Liebermann“ und „Haus Sommer“ am Brandenburger Tor zu zeigen. Zu polemisch erschien dem Baumeister der ausgestellte Vergleich zwischen den historischen Architekturen und der (längst überarbeiteten) Neuplanung, die die FDPler Axel Kammholz und der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Fraktion, Wolfgang Mleczkowski, zu den Horrorstücken aus der „Schreckenskammer“ der Berliner Baupolitik zählen. Nicht einmal dem Vergleich mit den Marzahner Plattenbauten hielten die Kleihues-Bauten stand, so deren Meinung. Bei soviel Beweislast zog Kleihues sein Aufbegehren zurück.

Aber nicht nur am Pariser Platz droht nach Meinung der FDP Schreckliches: Alptraum auch am Alexanderplatz, Alptraum am Victoria-Areal, Alptraum am Marx-Engels-Platz (jetzt Schloßplatz). Am Kurfürstendamm, so zeigen die Computersimulationen, schlage der geplante Victoria-Riegel des Chicagoer Architekten Helmut Jahn wie eine Axt in das städtebauliche Umfeld. Und am Alexanderplatz, tönt Wolfgang Mleczkowski per Videorecorder, wachse „aus der sozialistischen Tristesse ein Möchtegern-Manhattan“ voller Bürosilos und Hochhausschluchten.

Das alles und noch viel mehr entstehe ohne ausreichende fachliche Grundlage und jenseits der öffentlichen Meinung. Also Schluß damit!

Es ist schade. Aber den Liberalen liegt mit den Panoramaprospekten, auf denen das Horrorberlin abgebildet ist, keineswegs zuerst die fachliche Debatte am Herzen, sondern Wahlkampfgeheul. Denn schaut man genauer hin, springen einen populistische Worthülsen an, die den typischen Berliner Instinkt anrühren sollen. „Keine Boulettenmeile am Kudamm“, lautet ein Argument gegen das geplante Victoria-Areal mit dem „Jahn-Dampfer“.

Da gibt es freilich unendlich viel bessere Einwände. Gegen den fatalen Gebäudepavillon aus Glas vor dem Lustgarten poltert die FDP mit Berliner Schnauze: „Neugestaltung des Lustgartens – ohne Wartehalle“. Und den guten „Baugeschmack“ des historischen Berlin will man sich nicht durch Bausenator Nagels „amtlich verordnete steinern-frostige Fassadenarchitektur“ versauen lassen.

„Hauptstadtplanung geht alle an“, heißt die FDP-Parole. Mehr als liberale Horrorstückchen kommen in der Schau nicht heraus. Rolf Lautenschläger