Kriminalpolitik contra Feminismus

■ Der grüne Rechtspolitiker Rezzo Schlauch über die Novellierung des Sexualstrafrechts seiner Partei und den parteiinternen Dissenz

Der Bundestag debattiert heute drei Gesetzentwürfe, mit denen der Straftatbestand der Vergewaltigung novelliert werden soll. Die Entwürfe von Bundesrat, SPD-Bundestagsfraktion und PDS sehen vor, daß künftig auch Vergewaltigung in der Ehe strafbar sein soll. Die Bündnisgrünen haben ebenfalls einen Gesetzentwurf in der Schublade, werden ihn heute aber nicht in den Bundestag einbringen.

taz: Herr Schlauch, warum bringen die Grünen ihren eigenen Gesetzentwurf heute nicht ein?

Rezzo Schlauch: Weil sich die Grünen in der Frage der Mindeststrafe noch nicht klar darüber sind, auf welche Position sie sich verständigen sollen. Im Vergleich zu früheren unerquicklichen Streitereien ist sich die Fraktion ansonsten einig. Das heißt: Vergewaltigung in der Ehe soll strafbar sein. Den „minderschweren Fall“ bei Vergewaltigungen, nach dem die Strafe gemindert werden kann, haben wir im grünen Entwurf gestrichen. Der Tatbestand wird in unserem Entwurf erweitert, das heißt, die Frage des Selbstbestimmungsrechts wird in den Vordergrund gerückt. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist also erfüllt, wenn sexuelle Gewalt „gegen den Willen einer Person“ erfolgt. Nur bei der Frage der Mindeststrafe ist sich die Fraktion uneinig. Da treffen feministische und kriminalpolitische Position aufeinander.

Alle Entwürfe anderer Parteien sehen bei Vergewaltigung eine Bestrafung von mindestens zwei Jahren vor. Die Kriminalpolitiker der Bündnisgrünen wollen nun die Mindeststrafe auf ein Jahr senken.

Ganz so stimmt das nicht. Beim SPD-Entwurf hat man die Möglichkeit, mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten einzusteigen. Denn der SPD-Entwurf sieht auch den minderschweren Fall einer Vergewaltigung vor, der nur mit mindestens sechs Monaten bestraft wird. Insofern liegt die Mindeststrafe der SPD nicht bei zwei Jahren. Mit dem Wegfall des minderschweren Falles sieht unser Entwurf dagegen eine Strafverschärfung vor.

Grüne Feministinnen wollen ein Strafmaß von mindestens zwei Jahren und argumentieren, gerade im sensiblen Bereich des Sexualstrafrechts sei es falsch, mit der Entkriminalisierung zu beginnen.

Diese Argumentation ist nicht seriös. Denn unser Gesetz sieht mit dem Wegfall des minderschweren Falles ja sogar eine Strafverschärfung vor. Ich denke, daß das Strafrecht der sensibelste Angelpunkt ist, an dem das Gewaltmonopol des Staates exekutiert wird. Deshalb muß man gerade bei den Strafhöhen sehr, sehr vorsichtig sein. Man darf ja nicht vergessen, daß auch bei einem Jahr Mindeststrafe der Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren reicht. Der Beschluß, auf den sich die feministische Position bezieht, stammt von 1989. Obwohl ich diese feministische Position in Ansätzen teile, wird da völlig vergessen, daß es auch ein Erfolg der Grünen war, daß sich in den letzten Jahren die Strafpraxis bei Vergewaltigungen massiv verändert hat. Wenn noch vor zehn Jahren eine Vergewaltigung vor dem Amtsgericht angeklagt und der Täter mit zwei oder drei Jahren bestraft wurde, so wird sie heute in der Regel vor dem Landgericht angeklagt, und die Strafen betragen üblicherweise vier bis zehn Jahre. Das heißt, es hat sich im Sinne der feministischen Position viel geändert.

Zeichnet sich trotz des Streits eine Einigung bei den Grünen ab?

Anfang März wird es einen Frauenrat geben, der über den Entwurf noch einmal diskutiert. Ich könnte mir vorstellen, daß man eine Bewährung nur in besonderen Fällen gewährt. Und daß wir dann möglicherweise eine Mindeststrafe zwischen ein und zwei Jahren festsetzen, 18 Monate zum Beispiel. Interview: Karin Flothmann