Metal kommt von Sherwood Forest

■ Neue Platten von Subway To Sally und Love Sister Hope

Mit Begeisterung stürzen sich manche Leute derzeit auf den gar nicht so großartigen deutschen „Volkskultursampler“ „Wo ist zu Hause Mama“, auf dem die deutsch singende Popcrème ein bißchen an sich selbst herumarbeitet und damit ironisch und selbstbewußt die Drähte einheimischer Redakteure zielsicher zum Glühen bringt. Straight inna Hauptstadt hält man es jedoch weiterhin mit verinnerlichter Schwerfälligkeit und der Suche nach Perfektion.

Ein besonders gutes Indiz dafür sind die neuen Platten von Subway To Sally und Love Sister Hope, die einerseits verschärft mit folktunes angelsächsischer Herkunft liebäugeln, andererseits verschwiemelt und erlesen so viele deutsche Seele draufpacken, daß es rumst im Herzen. Subway To Sally orientieren sich musikalisch an schottischen Hochlandweisen und walisischen Grubentraditionals, Gesangsduktus und Instrumente mit fiesen Metallwummereien gekoppelt.

Metal kommt hier nicht von Hardrock und Bikertum, sondern aus dem Sherwood Forest, oder, schöner noch, dem deutschen Wald, würps. Folglich müssen auch diese nervtötenden, quasimystischen lyrics sein, in denen „Regen fällt wie nie vorher“, und die man da hören muß, „wo der Schnitter geigt ein Lied für die Toten im Bauch der Erde“. Du, das ist Musik aus Germany. Du, ich glaub', ich hab' da so Angst, weil, da kommt so was Dunkles aus Urtiefen hoch, so 'ne Retroromantik, so Neubauten, die sich lieber an Lagerfeuern verbrennen und verhauen. Du, dieses mittelalterliche Getue, das ist noch perverser, unergründlicher und grüner als der wunderschöne deutsche Schwarzwald. Du.

An den Produktionsreglern saß bei Subway To Sally, was ja mal Zeit wurde, Sven Regener, Oberguru von Element Of Crime, und dieser konnte auch nicht von Love Sister Hope lassen, die er als „unverbesserliche Fanatiker des wunderbar-wunderlichen Songschreibens“ abfeiert. Da denkt man ja erst fix und allein an Robyn Hitchcock oder Dan Tracy, ist dann aber gespannt, was die hier uns nun für Geschichten erzählen.

Leider bloß die üblichen und traurigen. Allein schon der abgenudelte Albumtitel „Is Life For Real?“, wie er sich als wiederkehrendes Thema durch die Songs windet! Die Rede ist von Mickeys Vater, „he'd probably gotten sick of himself“, von Marie, die ihrem gerade geborenen Kind sagt: „Forgive me“ und es dann auf den Boden wirft: „No money, no man, no love just a bleeding soul“, schließen Love Sister Hope da messerscharf. Das ist direkt den Crime- Seiten der New York Post entnommen, so wundersam und wunderbar, daß es kein Wunder ist, auf Sachen wie diese zu verfallen: „Life Is A Bitch And Then You Die“.

Natürlich werden Rettungsanker gesucht, wer will das verdenken? Die Liebe, die Liebe, welch himmlisch Kind! Bloß zählt sie nicht in dieser Welt, denn: „It's a sacrifice to live love in a world of hate“. Vielleicht meinen sie das alles bloß ironisch, und am Ende des Albums werfen Love Sister Hope ihre Gretchenfrage auch noch mal auf, um sie ganz schunkelig und eigentlich fröhlich mit Akkordeon undsoweiter zu instrumentieren.

Ansonsten: Wenn ich das alles so höre, weiß ich wieder, was an Ghettowelten und Ichmaschinen attraktiv ist, und auch Sätze wie diese als momentan schlaueste zu schätzen: „Gitarrenhändler, ihr seid Schweine“ oder „Über Sex kann man nur auf englisch singen“. Und jetzt weiß ich auch, was es bedeutet, ein Scheiß zu singen, wie „Langeweile besäuft sich, meilenweit“ ... Gerrit Bartels

Subway To Sally: MCMXCV (II) (Vielklang); Love Sister Hope: Is Life For Real? (Strange Ways Rec.)