Auf dem Weg zur „rassenfreien Gesellschaft“

■ Südafrikas Präsident Nelson Mandela appellierte bei seiner gestrigen Parlamentseröffnung für „nationalen Konsens“. Kritik aus dem ANC wies er zurück

Kapstadt (taz) – Mit dem Glanz und Pomp, den einst das Apartheid-Regime entfaltete, eröffnete gestern auch Südafrikas Präsident Nelson Mandela die zweite Sitzungsperiode des Parlaments seit seinem Amtsantritt. Aber in seiner Regierungserklärung mußte er wiederholen, was er schon oft gesagt hatte: „Die Regierung ist entschlossen, Südafrika in eine rassenfreie Gesellschaft zu verwandeln.“ Denn nach wie vor, so Mandela, gibt es in Südafrika Rassismus.

Damit bezog er sich auf die jüngsten Ereignisse im Kapstadter Vorort Ruyterwacht, wo bei Auseinandersetzungen zwischen den weißen Bewohnern und schwarzen Schülern ein Jugendlicher getötet worden war. „Die Verantwortlichen für rassistische Verbrechen müssen unverzüglich festgenommen werden“, forderte der südafrikanische Präsident.

Trotzdem bekannte sich Nelson Mandela in seiner Rede vor den 490 Parlamentariern und 90 Senatoren zu der Regierung der Nationalen Einheit, zu der auch die Nationale Partei des ehemaligen Staatspräsidenten Frederik W. De Klerk und des Kapstadter Provinzpremiers Hernus Kriel gehört.

Im „African National Congress“ (ANC) war zuletzt Kritik an der Koalition mit de Klerks Partei aufgekommen. Mandela erteilte aber auch den Forderungen nach einer profilierteren, stärker am ANC orientierten Politik eine deutliche Absage. „Wir dürfen nichts unternehmen, was die gewalttätigen Konflikte wieder zum Ausbruch bringen könnte, die wir so gut unter Kontrolle gebracht haben“, sagte Mandela etwa zur Bildung einer „Wahrheitskommission“, die die Apartheid-Vergangenheit aufarbeiten soll (siehe Seite 3).

Selbst in der Frage der Korruption, die seiner Regierung wegen mehrerer Affären gegenwärtig zu schaffen macht, hielt Mandela seine schützende Hand über die „Bösewichte“: „Wir müssen uns davor hüten, einem südafrikanischen McCarthyismus zu verfallen. Wir müssen den Beschuldigten immer das Recht geben, gehört zu werden, statt dem steinzeitlichen Instinkt nachzugeben, die Leute auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.“

In der Finanz- und Wirtschaftspolitik verschrieb der 77jährige Staatspräsident sich einmal mehr dem bisherigen Kurs einer strikten Ausgabenkontrolle. Und nach den Wahlversprechen des vergangenen Jahres präsentierte Mandela den Anhängern in aller Deutlichkeit die Wirklichkeit: „Die Regierung hat keine großen Taschen voller Geld. Die Regierung hat keine Reichtümer.“ Mandela weiter: „Wir müssen uns auf einige Prioritäten konzentrieren.“

Dazu soll offensichtlich auch eine unternehmerfreundliche Politik gehören, zumal die ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung am Kap der Guten Hoffnung zu beobachten sind. Auf internationalem Gebiet sprach sich Mandela vor allem für gute Beziehungen zu anderen afrikanischen Staaten aus. Außerdem wolle sein Land aber auch enger mit der EU und den USA zusammenarbeiten. Willi Germund, Kapstadt