Schwarzes Schaf Handelskammer

■ Existenzgründerinnen beanstanden: „Hier kommen Frauen überhaupt nicht vor“

„Eine Frau, die Frauen zur Existenzgründung berät, gibt es bei uns nicht.“ Und Bert Zecchia, Industriereferent der Bremer Handelskammer sieht auch künftig keine Notwendigkeit dafür: Es bestünde kein Anlaß, geschlechtsspezifisch zu differenzieren. „Die Handelskammer grenzt Frauen aus“, lautete der Vorwurf in der Bremer Studie über Existenzgründerinnen, die kürzlich vorgelegt wurde. „Das nehmen wir sehr entspannt auf“, erwidert Bert Zecchia auf Anfrage und räumt ein, „dann legen wir eben jetzt ein Frauen- und ein Männer-Karteikästchen an“.

Arrogant und hochnäsig sei man mit ihnen umgegangen, gaben einige Existenzgründerinnen bei der Erhebung zur Studie zu Protokoll. Die Handelskammer sei ein reiner Männerclub, Fraueninteressen würden nicht vertreten, insbesondere nicht bei den Vergabekriterien für die Fördermittel. „Die sind vor allem auf große, auf Industriebetriebe zugeschnitten“, weiß Annett Russin, die im Auftrag des Bremer Frauenclubs die Studie erstellte. „Frauen aber wollen vor allem im kleinen Einzelhandel und Dienstleistungsbereich gründen.“

Ignoranz und Überheblichkeit begegne den Frauen jedoch meist schon bei der kostenlosen, unverbindlichen Beratung der Kammer. Konzepte würden schnell abgebügelt – zwei Frauen, die einen Kinderkleidungsladen aufbauen wollten, bekamen zu hören, ihr Kreditvolumen sei viel zu niedrig angesetzt, sie würden zu wenig investieren wollen. „Das ist aber frauentypisches Denken“, sagt die Unternehmensberaterin Annett Russin. „Frauen wollen sich eben in absehbarem Rahmen wieder entschulden. Was ist falsch daran?“

Daß Frauen wegen zu niedrigem Kreditvolumen weggeschickt werden, weist Berater Bert Zecchia entrüstet von sich. Seit Mitte 94 gebe es doch eine flexible Antragsgrenze mit dem Minimum 5.000 Mark. Und wenn jemand wirklich eine frauenspezifische Beratung wünsche, mache man in der Handelskammer fleißig auf die Frauengleichstellungsstelle, den Frauenclub, das Bremer Frauenförderprogramm und auf ÖBI (Öffentliche Beschäftigungsinitiativen) aufmerksam. „Uns interessieren doch Idee und Vorhaben, und nicht das Geschlecht“, betont Zecchia. „Wir haben hier drei, vier sehr alte, sehr erfahrene, beratende Kollegen.“

Was haben wir dann von unserer Zwangsmitgliedschaft in der Handelskammer, fragen sich die Gründerinnen. Ein Viertel bis ein Drittel der rund 26.000 Kammermitglieder seien Frauen, schätzt Annett Russin – die Kammer führt darüber keine Statistik. Eine Kammerfrau hat schon gar keine Lust mehr, sich für die Mitarbeit in den Gremien zu engagieren, weil „Frauen da nicht vorkommen“.

Stimmt nicht, kontert Bert Zecchia, der trotz fehlender Differenzierung auf die Schnelle noch herausfinden konnte, daß seit 1990 25 bis 30 Prozent der Gewerbeanmeldungen von Frauen kamen. Und daß in den Gründungsseminaren der Kammer jeweils zu 40 Prozent Frauen sitzen. Wieviele davon dann auch einen Betrieb gründen, weiß die Handelskammer wieder nicht. sip

Das nächste Gründungsseminar der Handelskammer findet von 13.3. bis 23.3. statt, Anmeldung über Tel. 363 72 34, 150 Mark