■ Rache statt Debatte
: Brandstifter taz?

Am Freitag brannte ein Auto und vor drei Wochen ein Briefkasten. Das Problem: Das Auto gehörte dem Ehemann der Leiterin der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus und der Briefkasten einem ehemaligen Vorstandsmitglied. Über beide Personen berichtete die taz ausführlich, weil sie entgegen aller Sorgfaltspflicht mitwirkten, einer ehemaligen KZ-Aufseherin zu einer Entschädigung als Opfer des Stalinismus zu verhelfen. Der Verdacht, daß irgendwelche Eiferer die Auseinandersetzung um diesen Vorgang dazu mißbrauchten, mit Ursula Popiolek und Siegmar Faust privat abzurechnen, liegt leider nahe, zumal die jüngste Aktion großsprecherisch als „antifaschistisch“ daherkam. Eine Frage ist, ob die taz indirekt mitfackelte. Für den Deutschen Ostdienst, lag dies schon beim brennenden Briefkasten klar auf der Hand. Dezidiert wurde dort der „linksextremistischen“ taz unterstellt, daß sie gegen unschuldige Leute eine „beispiellose Hetzkampagne“ inszeniert hatte.

Natürlich ist dies Unsinn. Die Berichterstattung war eine Aufforderung zur Diskussion. Der eigentliche Skandal – die Haftentschädigungskriterien der mit Bundesmitteln geförderten „Stiftung für politische Häftlinge“ – geriet leider zu früh aus dem Blickfeld. Die taz hätte stärker thematisieren sollen, daß die einzigen Ausschlußgründe für eine Entschädigung eine ehemalige SS- oder Gestapomitgliedschaft ist, daß es bei den laxen Vergabekriterien theoretisch möglich ist, daß Nazi-Denunzianten, Blockwarte, furchtbare Ärzte oder Juristen, die von der sowjetischen Militärregierung interniert wurden, heute dafür Haftentschädigung bekommen. Darüber muß geredet werden. Das hat wahrhaftig nichts mit dem Fehlverhalten einzelner Gedenkbibliotheksfreunde zu tun.

Daß individuelle Rachakte kriminell sind und daß das moralisierende Etikett „antifaschistisch“ in diesem Kontext eine Verharmlosung faschistischer Verbrechen ist, versteht sich von selbst. Ganz abgesehen davon, daß die beiden Geschädigten alles mögliche sind, nur keine Alt- oder Neofaschisten. Anita Kugler