■ Scheibengericht
: The Consort of Musicke / The Tallis Scholars

Cipriano De Rore: Il quinto libro di madrigali; Leitung: Anthony Rooley (Musica Oscura/Columns Classics 070 991)

Cipriano De Rore: Missa Praeter rerum seriem; Leitung: Peter Phillips (Gimell-Records CDGIM 029)

In der oberitalienischen Stadt Ferrara, wo er um die Mitte des 16. Jahrhunderts einen Großteil seines Lebens verbrachte, gehörte er zur Gruppe der „Oltimontagni“ – zu denjenigen Musikern, die „von jenseits der Berge“ in die Po- Ebene gekommen waren. Wie andere bedeutende Renaissance- Komponisten war auch Cipriano De Rore aus seinem Geburtsland Flandern in die italienische Herzogstadt gezogen, die damals als bedeutendes Zentrum des Geistes und der Künste in Europa galt.

Der Flame wirkte in Ferrara als „maestro di cappella“ am Hof, was die Aufgabe mit einschloß, die Hofkapelle laufend mit neuem Spielmaterial zu versorgen. Sein Paradefeld war das Madrigal, das sich nicht zuletzt unter seinem Einfluß zur führenden musikalischen Gattung des 16. Jahrhunderts entwickelte. Madrigale waren in Töne gefaßte Gedichte, den Klängen kam die Aufgabe zu, die Inhalte der Verse zu illustrieren.

Aus dem „quinto libro di madrigali“ – dem fünften Madrigalbuch – wählte The Consort of Musicke unter Anthony Rooley vierzehn fünfstimmige Stücke von Cipriano De Rore für die Aufnahme eines Madrigal-Zyklus aus. Die englische Vokalgruppe, die zu den besten ihres Fachs zählt, legt viel Inbrunst in die Interpretation dieser poetischen Liedverse, die mit Leidenschaft und einem feinen Gespür für Gefühlsnuancen davon erzählen, wie „die Liebe auf Erden einen Blick ins Paradies gewährt“. Bei den geistlichen Werken De Rores ist ein anderes Timbre gefragt.

Die Tallis Scholars intonieren die „Missa Praeter rerum“ (sowie einige Motetten) mit einem solch hohen Grad an Präzision und Ebenmaß, daß die komplexe polyphone Struktur in voller Klarheit aufleuchtet. Bei dieser Messe De Rores handelt es sich allerdings um kein Originalwerk im ganz strengen Sinne, sondern um eine sogenannte „Parodie-Messe“. Das heißt: Cipriano De Rore hat die Grundmelodie von seinem bewunderten Vorgänger Josquin de Prés geborgt, was kein Akt früher Copyright-Piraterie war, sondern eine damals durchaus übliche Huldigungspraxis.