BVG läßt Yaam-Club abfahren

■ Im letzten Jahr als Open-air-Treffpunkt der Club-Szene ein Riesenerfolg, droht der Yaam-Club in Treptow in diesem Jahr an der Sturheit der BVG zu scheitern

Tom Wiggenhauser ist nicht unbedingt das, was man einen durchtriebenen Geschäftsmann nennt. Dafür ist seine Hose zu weit und die Strickmütze zu sehr Bob Marley. In Geld schwimmt er zu seinem Leidwesen auch nicht, man kommt halt so über die Runden. Leider aber zwingt man ihn zum Geschäftsmann-Dasein, ob er will oder nicht. Denn Tom Wiggenhauser verwirklichte im letzten Sommer zusammen mit ein paar Freunden einen Traum für sich und 35.000 andere Menschen, an insgesamt 16 Wochenenden. „Yaam- Club“ hieß der realisierte Traum, und der war nicht gerade billig.

Von Juni bis September vollzog sich, immer sonntags zwischen 14 und 22 Uhr, im ödesten Winkel Treptows das geiche Ritual. Frühaufsteher und noch Wache, vom Nachtleben Gezeichnete und Streetball-Kids pilgerten ins Mekka des Nichtstuns, das heißt ins gottverlassene BVG-Busdepot, Eichenstraße Nummer 2.

Die Yaam-Clubber schufen einen temporären Kuraufenthalt für übermüdete Großstadtkids, die für einen Sommerurlaub nicht genügend Kleingeld parat hatten. Am Osthafen war Berlin am multikulturellsten: internationale Kleinfamilien, afrikanische und arabische Flüchtlinge, amerikanische Stop- over-Künstler und jede Menge Jamaikaner lauschten vis-à-vis der Spree den Reggae-Klängen und taten es den ungleich älteren Laubenpiepern gleich: Open-air relaxen.

In diesem Sommer wollen Tom Wiggenhauser und seine Mitstreiter den Yaam-Club wieder aufleben lassen. Die Kultstreifenfirma adidas etwa plant, Ende April mit einer Auftaktveranstaltung die Streetball-Saison einzuläuten. Die Initiatoren stecken mit ihren Vorbereitungen allerdings fest.

Noch immer existiert kein Mietvertrag mit der BVG für dieses Jahr, denn diese, formell Eigentümerin von Halle und Gelände, findet den Idealismus der Yaam- Clubber zwar gut und schön und anerkennenswert. Aber mit diesen Attributen kann man nichts kaufen, das heißt: Vertrag ist Vertrag, Geschäft Geschäft. Die BVG will erst dann einen neuen Vertrag für dieses Jahr formulieren, wenn der alte erfüllt ist. Die unprofessionellen Geschäftemacher und professionellen Freizeitversüßer des Yaam-Clubs waren im September und Oktober in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Sie schulden der BVG noch knapp zwei Monatsmieten. Die tut freilich gerade so, als hinge ihre Existenz von den noch ausstehenden Mietzahlungen des Yaam-Clubs ab. „Wir brauchen das Geld“, erklärt, wenig überzeugend, Wolfgang Litkiewicz von der BVG. Denn erstens handelt es sich um die Summe von rund 6.000 Mark – für die Yaam- Clubber ein Vermögen, für die BVG wohl ein Klacks. Und zweitens läuft derzeit noch ein Restitutionsverfahren um das Gelände, ein Alteigentümer macht der BVG das Areal am Osthafen streitig.

Tom Wiggenhauser, der Geschäftsmann wider Willen, soll dennoch auf einen Schlag die zwei ausstehenden Monatsmieten blechen – obwohl er bereits Anfang Dezember eine Ratenzahlung in Höhe von 1.340 Mark aufs BVG- Konto überwiesen hat. Außerdem koppelt die BVG den Vertrag für dieses Jahr an eine Bürgschaft, um ihre Mieteinnahmen zu garantieren, sowie an ein bauliches Gutachten, das die Yaam-Clubber vom Bauaufsichtsamt Treptow erstellen lassen sollen. „Wir wollen einfach sichergestellt wissen“, begründete Wolfgang Litkiewicz diese Prämisse, „daß die Veranstaltungen des Yaam-Clubs rechtlich abgesichert sind. Die Halle ist schließlich baufällig.“ Seltsamerweise verzichtete die BVG im vergangenen Jahr auf ein derartiges Gutachten.

Tom Wiggenhauser wundert sich, daß die BVG nun so herumzickt: „Warum kämpft die BVG mit allen Mitteln gegen ein Häuflein kulturell engagierter Leute?“ Durch die Hinhaltetaktik der BVG konnten die Yaam-Club- Optimisten bislang auch die Hilfsangebote von Freunden und Unterstützern nicht annehmen, geschweige denn eine Vereinbarung mit dem Getränkelieferanten treffen.

In ihrer Verzweiflung haben sich Tom Wiggenhauser und seine Yaam-Kompagnons Mitte Januar an die Senatsverwaltung für Jugend und Familie gewandt und um Unterstützung gebeten. Die kam prompt und positiv. In einem Brief an die BVG schreibt die Behörde: „Aus fachlicher Sicht können wir nur unterstreichen, daß der von Yaam organisierte Festivalsommer ein großer Erfolg war. Besonders zu begrüßen ist der hohe Anteil der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Teilen Berlins, der dieses attraktive sportlich-kulturelle Angebot genutzt hat. Hervorzuheben ist auch, daß sich hier Jugendliche und junge Menschen aus ganz verschiedenen kulturellen Zusammenhängen und Herkunftsländern zusammengefunden haben. So war das Festival ein nützlicher und sinnvoller Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und Gewaltbereitschaft bei jungen Menschen.“

Der Brief endete mit einer ebenso kühl wie kühn formulierten Hoffnung: „Es wäre zu begrüßen, wenn sich in den Verhandlungen zwischen Ihnen und den Initiatoren eine Lösung finden ließe.“ Auf diesen Appell hat die BVG bis heute nicht reagiert. Thorsten Schmitz