■ Das Portrait
: Phoolan Devi

Indische Ex-Banditin, hier bei der Verhaftung 1983

Foto: Sipa

Als zehnjähriges Mädchen setzte sie sich störrisch ins Kornfeld, das der Onkel ihrem Vater abgeluchst hatte. Um sie loszuwerden, organisierte der Onkel einige Jahre darauf ihre Entführung durch Banditen, und sie verschwand in den zerklüfteten Schluchten des indischen Chambal-Tals südlich von Agra. Als sie wieder auftauchte, war es als Rächerin: Banditen der Rajput-Kaste hatten ihren Liebhaber ermordet, worauf sie im Rajputen-Dorf Behmai 22 erwachsene Männer erschiessen ließ. Phoolan Devi verwandelte sich darauf immer mehr in die blutrünstige Göttin Kali, doch nach jahrelanger Hetzjagd ergab sie sich 1983, da sie sich hinter Gittern sicherer fühlte als in den Hohlwegen des Chambals.

Das Gefängnis in Madhya Pradesh schützte Phoolan aber nicht vor den Medien. „Devi“, das Buch der Französin Irène Frain, machte aus ihr eine romantische Heldin, die für Liebe und Gerechtigkeit tötet. Ein Film von Shekhar Kapoor stellte sie als ausgebeutete Kreatur dar, die nach Serien von Vergewaltigungen selber gefühllos und brutal wird. Als sie im letzten Frühjahr wegen Krankheit bedingt entlassen wurde und sich in Delhi niederließ, begann ihr Kampf gegen den Film, der inzwischen in Cannes Aufmerksamkeit erregt hatte. Der Produzent hofft auf einen Oscar; Phoolan versucht, vor Gericht ein Verbot des Films zu erreichen, um eine Nominierung zu verhindern. Sie wird von Frauengruppen unterstützt, und im Januar gibt ihr das Gericht recht und verbietet den Film.

Doch Phoolan hat noch andere Gründe für ihren Protest gegen den Film. In der brutalen Massakerszene von Behmai wird sie zwar nicht als Täterin, aber klar als Anführerin dargestellt. Die Witwen von Behmai haben ihr nicht verziehen und halten ihre Mordklage aufrecht. Juristische Verbote sind ungenügend, vor allem für eine Frau, die nach Jahrzehnten des Gejagtwerdens jedem Hilfsangebot mißtraut. Der beste Schutz, befand deshalb der frischgetraute Ehemann Umed Singh, ist eine politische Karriere, und als Plattform bietet sich das Los der kastenlosen „Dalits“ an.

Den ersten Schritt vollzog Phoolan Devi vor einigen Tagen. Sie ließ sich im zentralindischen Nagpur zur Buddhistin bekehren. Es ist die notwendige Initiation für eine Dalit-Politikerin, denn der Buddhismus ist für viele von ihnen die einzige Religion, die jede Kastenhierarchie ablehnt. Bernard Imhasly