Grüne wollen mehr von Hessen

■ Nach Wahlsieg bald grüner Innenminister? / SPD für rasche Koalitionsverhandlungen

Wiesbaden/Berlin (taz) – Mitten in den Anfang März beginnenden Koalitionsverhandlungen in Hessen könnte es noch einmal spannend werden. Wenn in zwei Wochen bei einer Nachwahl im Wahlkreis Bergstraße-Ost alle 92.000 Stimmberechtigten geschlossen für die CDU stimmen, gibt es im hessischen Landtag doch noch ein Patt.

Unbeeindruckt von diesem Szenario hat der noch amtierende Ministerpräsident Hans Eichel gestern angekündigt, er werde auf zügige Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90/ Die Grünen drängen und hoffe, bei der konstituierenden Sitzung des Landtages am 5. oder 6. April wiedergewählt zu werden. Eichel räumte vor dem Hintergrund deutlicher Stimmenverluste seiner Partei strukturelle Probleme bei der SPD ein. Der Ausgang der Wahl sei dennoch insgesamt ein Erfolg, weil das „sozialökologische Reformprojekt bestätigt und sogar leicht ausgebaut wurde“. Ein „Wermutstropfen“ für die Sozialdemokraten sei allerdings, daß sich die Kräfte innerhalb der Koalition zugunsten des kleineren Partners verschoben hätten. Eichel kündigte an, er wolle an seinem Wahlversprechen festhalten und mit einem verkleinerten Kabinett in die nächste Legislaturperiode gehen.

Diese Vorgabe des Ministerpräsidenten dürfte die Verteilungskämpfe zwischen SPD und Grünen zusätzlich anheizen. Obwohl die VertreterInnen der Grünen offiziell alle Spekulationen über zusätzliche Ministerposten zurückwiesen – zuerst müßten die Inhalte geklärt werden –, wurde hinter den Kulissen bereits das Fell des Bären neu verteilt. Mindestens ein klassisches Ressort, so der Mehrheitstrend in der grünen Fraktion, sollte ab April schon dazukommen. Erwähnt wurden immer wieder entweder das Innen- oder aber das Finanzministerium. Auf Bonner Ebene wurde der Ausgang der Hessen- Wahl vor allem mit Blick auf die kommenden Urnengänge in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin kommentiert. Die Bündnisgrünen sehen Rot-Grün auch bundesweit wieder im Aufwind, die SPD- Führung stimmt dem aber nur zähneknirschend zu. Vor allem NRW-Ministerpräsident Johannes Rau ist für seine Abneigung gegenüber den Grünen bekannt. Er erklärte gestern, er sehe ein Potential für seine Partei, ihr Ergebnis auszubauen – „wenn die SPD nicht zu satt und siegesgewiß ist“. Bei den letzten NRW- Landtagswahlen 1990 erhielt die SPD 50 Prozent der Stimmen; die Grünen errangen 5 Prozent. „Rot-Grün ist ein Modell, das sich bewährt“, sagte dagegen die Fraktionssprecherin der Ökopartei, Bärbel Höhn, gestern. „Es ist auch die Perspektive für die nordrhein-westfälischen Landtagswahlen am 14. Mai.“

FDP-Chef Kinkel feierte den Einzug seiner Liberalen in den hessischen Landtag erwartungsgemäß als Wiedergeburt der Gesamtpartei. Als CDU-Chef Helmut Kohl ihm den Sieg vermiesen wollte, weil die FDP es angeblich nur mit Leihstimmen aus der CDU geschafft hat, soll Kinkel gestern richtiggehend böse geworden sein. „Das ist Unsinn“, stellte er vor der Presse klar. Richtig in die vollen ging gestern nur Finanzminister und CSU-Chef Waigel. Angesichts der Debatte um den Solidaritätszuschlag warf er Kinkel vor, die FDP stehle sich aus der finanzpolitischen Verantwortung. Waigel gratulierte Kanther für seinen bravourösen Wahlkampf, bedauerte aber, daß bestimmte Themen ausgeklammert worden seien. „Dazu zählt vor allem der Abschiebestopp für Kurden.“ JG Tagesthema Seite 3

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