■ Gert Heidenreich kandidiert nicht mehr für den PEN-West
: Der Club der identifizierten Dichter

Am Montag erst hat der Internationale PEN-Club die beiden deutschen Zentren der Schriftstellervereinigung aufgerufen, sich „trotz aller Konflikte zusammenzuschließen“. Jetzt hat Gert Heidenreich, der als Präsident des West-PEN für die Politik der Zusammenlegung steht, seinen Rückzug aus dem Präsidium erklärt. Die Londoner PEN-Zentrale hatte in einem Brief „an alle deutschen Schriftsteller und Intellektuellen appelliert, der neuen Realität ins Auge zu sehen“. Gründungsprinzip des PEN sei es gewesen, „den Weg zu Frieden und Versöhnung zu weisen. Wir bitten die deutschen Schriftsteller dringend, auf dieses Ideal hinzuarbeiten“. Hehre Worte! Sie mögen manche derjenigen, die heute gegen die Vereinigung der beiden deutschen PEN-Zentren opponieren, gar an das newspeech erinnern, mit dem man in der DDR jahrelang eingeseift wurde: „Aber, lieber Kollege, ich nehme doch an, Sie sind sicher auch für den Frieden? Wenn Sie dann bitte hier unterschreiben würden...“

Bevor man sich versöhnen kann, müssen bestimmte Dinge auf den Tisch. Natürlich wird man später auch darüber reden, daß, wie der Internationale PEN formuliert, die PEN-Zentren während des Kalten Krieges „in totalitären Staaten eine Zuflucht für Autoren“ gewesen sind, „die an die Freiheit des Wortes ... glaubten“. Aber vorher wird man über die Fälle reden müssen, in denen die „Zuflucht“ zum Konformistenklub wurde. Das wird sicherlich, wie man nach den letzten Wochen ahnen kann, eine enervierende, aufgeregte, von persönlichen Beleidigungen und Empfindlichkeiten erhitzte Angelegenheit. Wo doch viele Autoren, wie Gert Heidenreich formulierte, „ihr PEN-Zentrum mit der Frage nach ihrer Identität verküpft sehen“. Das war als Verteidigung des Ost-PEN gemeint: Achtung, Identität! Aber ist es wünschenswert, wenn Personen, die als Schriftsteller in einen Verband gewählt werden, anfangen, ihre Identität mit einer solchen Organisation zu verknüpfen?

Heidenreich ist beleidigt: Über seine Absichten bei der Vereinigung der PEN-Zentren sei eine „schwer erträgliche Polemik und Polarisierung erzeugt worden“. Das geht gegen Jürgen Fuchs und Reiner Kunze, die ihm mit ihren theatralischen Austritten bedeuten wollten, daß ihnen die Leisetreterei im Umgang mit den Leipziger Kollegen und ihrer Organisation nicht paßt. Wenn die PEN-Zentren nun im Mai auf ihrer Mitgliederversammlung konferieren, wird die Debatte vielleicht offener geführt werden können. Und den Ost-PEN als Identitätsfutteral werden sie dann vielleicht nicht mehr brauchen. Jörg Lau