Regierung machtlos gegen Drogen-Reformen

■ Drogenbeauftragter sieht keine Handhabe gegen liberale Länderpraxis / SPD-Mehrheit im Bundesrat bindet dem Anti-Drogen-Krieger die Hände

Bonn (taz) – Der Drogenbeauftragte der Bundesrepublik sieht keine Handhabe, Reformversuche einzelner Bundesländer zu stoppen, die seinen eigenen beinharten Grundsätzen zur Rauschgiftpolitik widersprechen. Gegen Einrichtungen wie die Frankfurter „Fixerstuben“ könne die Regierung rechtlich nicht vorgehen, erklärte der CSU-Politiker und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Eduard Lintner, gestern bei der Vorstellung der Rauschgiftbilanz 1994. Auch die völlig unterschiedliche Praxis der Länder bei der Festlegung „geringfügiger Mengen“ von Rauschmitteln wird die Koalition nach Darstellung Lintners nicht vereinheitlichen können.

Reformmodelle nach Art der Frankfurter „Fixerstuben“, in denen Heroin kontrolliert abgegeben wird, nannte er „glatt gesetzeswidrig“. Die Regierung sei aber machtlos, weil nur eine Mehrheit der Länder im Bundesrat das Bundesverfassungsgericht anrufen könne, um eine Landesregierung zur Änderung ihrer Politik zu zwingen. Wegen der gegenwärtigen politischen Mehrheiten sei dieser Weg aber versperrt.

Auch die Praxis, wonach in einzelnen Bundesländern der Besitz unterschiedlich großer Drogenmengen von Strafverfolgung freigestellt ist, muß die Bundesregierung nach den Worten Lintners hinnehmen. Auch innerhalb des Kabinetts herrschten unterschiedliche Meinungen darüber, was eine „geringfügige Menge“ sei, sagte Lintner mit Blick auf die Vorstellungen der FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Drogenbeauftragte räumte ein, daß damit der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts unerfüllt bleibe, eine bundesweit gültige Mengenregel zu erarbeiten.

Lintner warnte ausdrücklich vor Ansätzen zu einer Entkriminalisierung des Drogengebrauchs. Schon die Festsetzung einer „geringfügigen Menge“ wirke wie eine Aufhebung der Strafbarkeit, sagte der CSU-Politiker. „Wir müssen die frühzeitige Interventionsmöglichkeit der Polizei als Chance für die Jugendlichen sehen“, erklärte er. Auch aus anderen europäischen Ländern kenne er keine einzige wissenschaftliche Untersuchung, die einen Rückgang von Beschaffungskriminalität als Folge der Entkriminalisierung schlüssig nachweise.

In seiner Bilanz sprach Lintner von einer „insgesamt günstigen Entwicklung“. Für eine Trendwende der Drogenpolitik gebe es deshalb keinen Grund. Laut Drogenbilanz 1994 ging die Zahl der Rauschgifttoten zurück, doch verzeichneten die Behörden immer mehr Erstkonsumenten harter Drogen und stellten immer größere Rauschgiftmengen sicher. Hans Monath