"Sonst wär'n wir blöd"

■ Beim Versuch, mit der Eishockey-GmbH Frankfurter Löwen solides Geld zu verdienen, treten Anfangsprobleme auf

Frankfurt (taz) – In Nordhessen haben sie tiefe Aversionen gegen ihre Landsleute aus dem Süden: „Ihr seid nur ein Zuhälterverein“, schallt es von den Rängen, wenn, wie am Dienstag geschehen, im Eishockey-Play-off die Kassel Huskies auf die Frankfurter Löwen treffen. Das Geschrei wird noch lauter, wenn Kassel dann auch noch mit 5:3 gewinnt und so mit 3:1 Siegen nur noch einen vom Viertelfinale entfernt ist. Der Slogan allerdings liegt voll daneben, zumindest was den letzten Teil angeht. Denn seit dieser Saison ist die Bundesliga die DEL, und die Frankfurter sind kein Verein mehr, sondern eine Kapitalgesellschaft. Wie die meisten Kontrahenten. Ob GmbH mit oder ohne Co KG, ist dabei unwichtig. Hauptsache, man hat einen sogenannten Franchise-Vertrag in der Tasche, wie ihn Filialen großer Hamburger-Bratereien haben. Nur verheimlichten die noch nie, daß sie Geld verdienen wollen – was im deutschen Eishockey bislang im Widerspruch zum Wort Sport stand. Die Kapitalgesellschaften sollen es nun richten.

Am Anfang war ein runder Tisch, „auf den wir ein paar Schecks geworfen haben“. Die Gesellschafterversammlung der neugegründeten Frankfurter GmbH „Die Löwen“ tagte. Als zusammengezählt wurde, war der Tisch um 1,8 Millionen Mark teurer geworden. Exakt jene Summe, die beim Zweitliga-Verein Frankfurter Löwen im Frühjahr 1994 als „Deckungslücke“ aufgetreten war.

Nichts Neues: Wegen andauernder Deckungslücken machte schon 1991 Eintracht Frankfurt seine sportlich durchaus erfolgreiche Eishockey-Abteilung dicht. Die nachfolgenden Löwen starteten einen furiosen Schnelldurchlauf durch drei Klassen, nahmen Geld ohne Ende ein – das die Amateurfunktionäre schnell wieder ausgaben. Plötzlich, als das Geld weg war, kam die DEL – und besagter Runder Tisch. „Noch heute bekommen wir offene Rechnungen aus dieser Zeit“, stöhnt Gerd Schröder, der neue Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH. Zunächst mußte die Unterdeckung ausgeglichen werden: Die GmbH kaufte dem Verein die Profimannschaft für 1,8 Millionen Mark ab. Ein künstlicher Wert, der sich aus dem Verkauf der einzelnen Spieler kaum ergeben hätte. Doch der Deal hatte auch für die Gesellschafter Vorteile. Das eingebrachte Kapital ließ sich steuergünstig abschreiben. Ideal für alle, denen Steuerforderungen zutiefst verhaßt sind.

Doch „Verlustabschreibung“ heißt nicht, daß die Gesellschafter ihr Geld abschreiben: „Langfristig wollen wir natürlich Gewinne erwirtschaften“, sagt Schröder, „sonst wären wir ja blöd.“ Nun ist aber ein Eishockeyteam kein Hamburger. Nur wenn die Mannschaft reüssiert und die Kundschaft begeistert, läßt sich an Gewinn denken. Also butterten die mittlerweile nur noch fünf Gesellschafter der GmbH noch einmal 1,5 Millionen Mark zu. Und machten einige Anfängerfehler. So holten sie den Geschäftsführer Walter Langela, der nicht nur zu Eintracht-Zeiten, sondern auch in den „Löwen“-Anfängen für zügiges, aber unreflektiertes Geldausgeben gesorgt hatte. Nun krempelte er wieder die Ärmel hoch – und schmiß Post und Akten, die ihn nervten, in den Papierkorb. „Das war seine Lieblingsablage“, stellte GmbH-Aufsichtsratsvorsitzende Gisela Thomas später fest. Doch erst als er „vergaß“, die Spielberechtigung für Frankfurts NHL-Stürmer Robert Reichel zu verlängern, flog er raus: „Er hat uns wochenlang hintergangen und belogen“, zürnte Gisela Thomas.

Zwar sind Geschäftsführer, im Gegensatz zu Vereinsvorsitzenden, für ihr Tun haftbar, doch nur, wenn sie vorsätzlich oder in betrügerischer Absicht gehandelt haben. Das war dem Mann indes nicht nachzuweisen. Als die Aktenberge durchforstet waren, kamen die üblichen Folgen von Vetternwirtschaft zutage: überteuerte Aufträge an Freunde, bezahlte Rechnungen ohne Liefernachweis und ein Vokabelheft als „Buchführung“. Ab sofort wurde ein konsequenter Sparkurs eingeschlagen, „auch wenn man sich durch solche unpopulären Maßnahmen keine Freunde macht“, ahnte Schröder. Als erstes wurde der VIP-Zelt- Betreiber gefeuert und der Kreis der Zutrittsberechtigten von 400 auf 200 halbiert: „Die hatten ihre Karte sowieso nie bezahlt.“ Die immerhin inklusive Sitzplatz im Ehrenbereich und fürstlicher Bewirtung stolze 8.000 Mark pro Saison kostet. Erste Zwischenbilanz der Sparmaßnahmen: „Wir haben im Vergleich zur Vorsaison eine Million Mark an laufenden Kosten eingespart.“

„Lean production“ also auch im Eishockey. Manchmal allerdings auch zu schmal. Um sich die Kosten für einen sportlichen Experten zu sparen, besorgte sich die Löwen-GmbH einen freien Mitarbeiter – und angelte sich ausgerechnet den Spielervermittler Sana Hassan. Da verhandelte dann zuweilen Spielerberater Hassan mit Vereinsberater Hassan. Kein Wunder, daß andere Vereine auffallend häufig an Frankfurter Spieler herantraten, für die Hassan als Vermittler tätig ist. Auch von ihm hat man sich mittlerweile getrennt. So machen Unternehmensberater, Großhändler sowie Immobilienverkäufer die Erfahrung, daß das Eishockeygeschäft eine interessante Bereicherung für die freie Marktwirtschaft ist – und lernen täglich dazu. Matthias Kittmann