„Ein Massaker für nix“

■ Hans Joachim Klein meldet sich via arte aus dem Versteck

Am Anfang fragt man sich schon, warum tut er das? Warum sitzt er mit angeklebtem Bart und Nickelbrille vor der Kamera und nimmt das Risiko der Enttarnung in Kauf. Ist es der schnöde Mammon oder die alte, ihm nachgesagte Lust, sich wichtig zu machen, Geschichten zum besten zu geben, über die sonst niemand etwas sagen kann oder will? Am Ende bleiben keine Zweifel: Es ist nichts von dem. Es ist ein Hilferuf.

Hans Joachim Klein, der in der Frankfurter Sponti-Szene Klein- Klein hieß und beim Oberrevolutionär Carlos „Angie“, will kein toller revolutionärer Hecht mehr sein. Er will es nur noch hinter sich bringen. Der „Terrorist“, der dieser Tätigkeit kaum zwei Jahre seines 47jährigen Lebens nachging, der ein Mal, am 21. Dezember 1975, ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit trat, dieser „Terrorist“ kämpft vor der Kamera um ein Leben nach dem Versteckspiel.

Kleins Lebenslauf, mit der Mutter, die in Ravensbrück davonkam und dennoch gewaltsam starb, als Klein-Klein wenige Monate alt war, mit dem prügelnden Vater, den der Sohn – fälschlich – für den Mörder der Mutter hielt, mit den Frankfurter Spontis, denen er sich intellektuell nicht gewachsen fühlte und für die er deshalb den Brutalo-Prolo mimte, mit Sartre an der Seite auf dem Weg zu Baader in Stammheim, dieses Leben suchte nach einem Höhepunkt.

Der kam als Carlos Klein zum Überfall auf die Opec-Konferenz der Ölminister in Wien mitnahm. Selbst diese Aktion, bei der drei Menschen starben – Klein: „ein Massaker für nix“ – hatte am Ende nur zwei Konsequenzen: „Angie“ fand sich mit Bauchschuß im L'Hôpital Mustafa in Algier wieder (und durfte dafür mit dem algerischen Außenminister dinieren) und Carlos war ein reicher Mann.

Daniel Leconte zeichnet – ohne Effekthascherei, aber auch ohne Betulichkeit – eine Biographie mit melodramatischen Zügen. „Gut gemacht“, wie man so schön sagt. Fast beiläufig beschreibt der Film die frühe Wandlung des internationalen Terrorismus von einer „Bewegung“ mit politischem Anspruch zu einer blutrünstigen Clique zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten.

Dafür steht der Name Carlos. Und natürlich freuen wir uns, all die Sponti-Größen aus Frankfurt wiederzusehen, die sich sympathisierend an Klein-Klein erinnern. Der kündigte – vor zwei Jahren – per Post seinen Selbstmord an. Seine Lebensgefährtin wollte nicht länger mit der Lüge leben – und verschwand mit den Kindern. Gerd Rosenkranz

arte-Themenabend: „Die Carlos- Ära – Die Geschichte des internationalen Terrorismus der vergangenen 25 Jahre“, heute, 20.40 Uhr