Ab 1. Juli soll in den neuen Ländern das Westmietrecht eingeführt werden – flankiert durch eine Übergangsregelung, über die Bundesbauminister Töpfer heute mit seinen ostdeutschen Ministerkollegen erbittert streiten wird Von Uwe Rada

Ostwestliches Mieterhöhungspoker

Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) hat einen schweren Gang vor sich. In einer Woche wird er in der Gethsemanekirche im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg den Ostberlinern Rede und Antwort stehen. Er will erklären, warum die Mieten ab 1. Juli diesen Jahres noch einmal um zehn Prozent jährlich steigen sollen. Auf viel Verständnis wird er dabei nicht stoßen. Schließlich liegen die Einkommen im Osten noch immer bei 71 Prozent der Westbezüge.

Heute trifft sich Klaus Töpfer in Berlin mit den ostdeutschen Bauministern, um ein zweites Mal über Einzelheiten bei der Einführung des westlichen Vergleichsmietrechts in den neuen Bundesländern zu verhandeln. Bei dieser Gelegenheit wird sich auch entscheiden, ob der Weg des Bundesbauministers in jene Kirche, von der im Oktober 1989 die Demonstrationen der Bürgerrechtler ausgingen, tatsächlich zum Gang in die Höhle des Löwen wird. Er hat es selbst in der Hand.

Ein erstes Treffen vor einer Woche blieb vorerst ohne Ergebnis. Töpfer hatte einen Referentenentwurf vorgelegt, der unter anderem auf den Widerstand des Berliner Bausenators Wolfgang Nagel (SPD) stieß. Töpfer falle „zum Teil hinter bereits ausgehandelte Eckpunkte zurück“, kritisierte Nagel. Für diesen Entwurf gebe es keine Mehrheit. Aber auch Nagel weiß, daß die Ostminister nicht allzu hoch pokern können: Die Mietregelung bedarf keiner Zustimmung des Bundesrats. Grund für den Berliner Unmut: Flankierend zur Einführung des westlichen Mietenrechts ab 1. Juli 1995 sieht Töpfer einen Übergangszeitraum von nur zwei Jahren vor. In diesem Zeitraum sollen die Mieten wie gesagt um 20 Prozent steigen können – ursprünglich aber war von drei Jahren die Rede. Im Grunde ist Töpfers Begriff vom „Übergangszeitraum“ darum Etikettenschwindel. Denn im westlichen, und dann auch östlichen, Miethöhegesetz gelten: 20 Prozent Mietsteigerung innerhalb von drei Jahren im Altbau und 30 Prozent im Wohnungsbestand, der nach 1918 errichtet wurde. Sowohl Nagel als auch sein Potsdamer Kollege Hartmut Meyer (SPD) bestehen deshalb auf einem Übergangszeitraum von drei Jahren. Ein weiterer Knackpunkt ist die von Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt geforderte Kappungsgrenze bei Neuvermietungen. Ohne ein solches Instrument, kritisieren die SPD-Minister, werde bei Wiedervermietung das Mietniveau innerhalb kürzester Zeit nach oben getrieben. Sie sprechen aus Erfahrung: Als in West- Berlin 1987 die Mietpreisbindung aufgehoben wurde, stiegen die Mieten bei Neuvermietungen um bis zu 120 Prozent. Zwar gibt es einen Wucherparagraphen im Wirtschaftsstrafrecht – aber der hat wenig gegen diese Tendenz vermocht. Als sicher gilt dagegen die Einführung einer Begrenzung der Modernisierungsumlage. Um bei privat finanzierten Modernisierungen eine Explosion der Mieten zu verhindern, soll die gesetzlich zulässige Umlage der Baukosten auf drei Mark je Quadratmeter beschränkt werden. Ebenfalls Zustimmung hat Töpfer zur geforderten Verlängerung des Sonderwohngelds in den neuen Ländern signalisiert.

Eigentlich sollte die bereits 1991 beschlossene, aber nie näher konkretisierte Einführung des Westmietrechts im Osten ab Juli 1995 längst unter Dach und Fach sein. Bereits Mitte Januar hatten sich Töpfer und seine Ostkollegen auf die sogenannten „Eckwerte“ verständigt. Doch die erwiesen sich als äußerst wacklig. Die Haus- und Grundbesitzer liefen insbesondere gegen die Begrenzung der Modernisierungsumlage Sturm. Sie bekamen Unterstützung von der Baubranche: Noch gestern forderte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Heribert Späth, eine „Nachbesserung“ der Eckwerte. So dürfe die Modernisierungsumlage nicht auf drei Mark pro Quadratmeter monatlich begrenzt werden, denn dann würde ein wesentlicher Teil der Sanierung schlicht unrealisierbar. Die Mieterhöhungsmöglichkeiten im Übergangszeitraum sollten bei den bestehenden Mietverträgen nicht auf 20, sondern auf 30 Prozent ausgedehnt werden. Hinzu kamen politische Querelen: Die Bauminister aus Thüringen und Sachsen wollten den Kollegen aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt nicht immer folgen.

Auch die Mietervereine fanden die vorgesehenen Regelungen „nicht akzeptabel“ und bekamen Unterstützung vor allem von den Bündnisgrünen und der PDS. Als „völlig ungeeignet“ wies die grüne Bauexpertin in Bonn, Franziska Eichstätt die Töpfer-Pläne zurück. Im Berliner Plattenbaubezirk Marzahn, sagte sie, seien die Mieten schon heute höher als im Westberliner Pendant, dem Märkischen Viertel. Außerdem trage eine weitere Mieterhöhung dem Einigungsvertrag kaum Rechnung. Dort nämlich ist vorgesehen, daß die Mieten im Osten der Einkommensentwicklung angepaßt werden sollten. Eichstätt forderte deshalb neben einer Kappungsgrenze für Neuvermietungen eine differenzierte Mieterhöhung je nach Ausstattung in einem Übergangszeitraum von drei Jahren. Die PDS, die zunächst noch ein Mietenmoratorium gefordert hatte, hat unterdes eine „wohnungspolitische Offensive“ angekündigt. Gefordert wird eine maximale Mietsteigerung von jährlich 3,3 Prozent sowie die Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 1,50 Mark pro Quadratmeter.

Die ostdeutschen Bauminister stehen heute also unter Erfolgsdruck. Und Töpfer drängt zur Eile. Er will das Gesetz bis zum 1. Juli diesen Jahres unter Dach und Fach bringen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt in Ostdeutschland die Tilgung der Zinsen im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes. Eine Mark pro Quadratmeter müssen die Wohnungsbaugesellschaften dann abführen, wenn sie von Bonn die Altschulden der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR bis auf einen Sockelbetrag erlassen haben wollen. Kann dieser Einnahmeverlust nicht rechtzeitig durch Vergleichsmieterhöhungen ausgeglichen werden, fürchten die Wohnungsbaugesellschaften, werde man künftig kaum noch in die Instandsetzung der Ostwohnungen investieren können. Für die Mieter, die in einer Woche im Prenzlauer Berg auf Töpfer treffen werden, wahrlich keine rosigen Aussichten. Bald schon könnte also eine oft zitierte Befürchtung wahr werden: „Westmieten bei Ostwohnungen und Ostgehalt.“