64 Blinde Passagiere

■ Nur drei stellten 1994 in Bremen Asylantrag

Sie verstecken sich in Containern, zwischen Kaffeesäcken oder in Kühlräumen – blinde Passagiere auf Frachtschiffen gehen lebensgefährliche Risiken ein. Meist sind es Menschen aus der „Dritten Welt“, die auf diese Weise in das Land ihrer Träume gelangen wollen. Allein in Hamburg und in den Bremer Häfen registrierte die Wasserschutzpolizei im vergangenen Jahr 152 unerwünschte Fahrgäste.

Die meisten „Einschleicher“, wie sie von der Polizei genannt werden, scheitern bei der Suche nach einer neuen Heimat: „Bei über 90 Prozent endet die Reise dort, wo sie begonnen hat,“ sagt ein Beamter der Bremer Wasserschutzpolizei. Vor allem Afrikaner versuchen, per Schiff dem Elend ihrer Heimat zu entfliehen, aber auch Rumänen wurden neuerdings entdeckt. Die erwartete Welle von GUS-Flüchtlingen sei dagegen bislang ausgeblieben.

Gelegentlich sind ganze Gruppen von blinden Passagieren auf einem Schiff unterwegs. In Bremen stieß man 1994 auf fünf Rumänen, die sich in einem Container versteckt hatten, um nach Amerika zu gelangen. In Hamburg wurden auf einem zypriotischen Frachter die Leichen zweier Afrikaner zwischen Kakaosäcken entdeckt. Sie starben an Insektiziden, mit denen man die Ladung während der Fahrt besprüht hatte.

Trotz scharfer Kontrollen auf den Schiffen gelangen Wagemutige immer wieder unbemerkt an Bord. „Sie riskieren dabei, in überhitzten Containern zu ersticken, in Kühlräumen zu erfrieren oder einfach in ihrem Versteck zu verhungern“, sagt Ronald Hörnicke von „Pandi Services“ in Hamburg. Das Unternehmen organisiert unter anderem weltweit die Identifikation und Rückführung der Einschleicher.

„Blinde Passagiere gehören immer zu den Ärmsten der Armen und wissen oft nicht, wohin die Reise geht“, so Hörnicke. „Außer ihrer Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben besitzen sie oft nur das, was sie am Leibe tragen“. Einschleicher, die zur Rückreise in ihr Heimatland bereit sind, erhalten von ihrer Botschaft ein Ausreisedokument und werden von „Pandi“-Mitarbeitern auf dem Rückflug begleitet. Sträubt sich der Flüchtling gegen die Rückkehr, muß ihn das Schiff wieder aufnehmen und es im nächsten Hafen versuchen.

Nicht selten wird den blinden Passgieren eine Asylmöglichkeit vorenthalten. „Die Behörden sind meist froh, wenn sie sich des Problems schnell entledigen können und tun oft nichts, um die Flüchtlinge über ihre Möglichkeiten zu informieren“, sagt ein Bremer „Pandi“-Experte. So stellten in Bremen von 64 illegalen Passagieren 1994 lediglich drei einen Asylantrag, in Hamburg waren es zwei von 88. „Wenn die Einschleicher nicht ausdrücklich Asyl begehren, weisen wir sie auch nicht auf diese Möglichkeit hin“, gesteht freimütig ein Bremer Wasserschutzpolizist.

Manfred Rolfsmeier, epd