Kommt Schinkels „Roter Kasten“?

■ Für die frühere Bauakademie gibt es noch kein Bau- und Nutzungskonzept

Leistet sich Berlin eine Stadtbrache in der Mitte? Obwohl der Abrißtermin im Mai für das Gebäude des ehemaligen Außenministeriums der DDR bereits feststeht, gibt es nur Absichtserklärungen und Hoffnungen, die zukünftige Lücke am Spreeufer wieder zu schließen. Zwar sollen nach Ansicht der Berliner Bauverwaltung auf dem rund 13.000 Quadratmeter großen Gelände zwischen Werderstraße und der Straße Unter den Linden die historischen Baufluchten, der Schinkelplatz und die einstige Bauakademie wiederhergestellt werden. Offen ist bis dato jedoch, wer speziell Friedrich Schinkels Hauptwerk, die Bauakademie – genannt der „Rote Kasten“ –, finanzieren und errichten soll. Ebenso ist unklar, welche Nutzer in das rekonstruierte Haus einmal einziehen können.

In der Tat komme es nun darauf an, für das bundeseigene Grundstück ein bauliches und inhaltliches Konzept zu finden, so Ulla Luther, Senatsrätin beim Baudirektor. „Der Bund, das Land Berlin, jeder Stifter und Spender ist aufgerufen, Ideen für eine neue Nutzung der Bauakademie zu entwickeln.“ Erst danach könne die Finanzierung geklärt und ein Bebauungskonzept erarbeitet werden. Beim Bausenator werde derzeit eine Stelle eingerichtet, um die „Konzeptfindung“ voranzutreiben und potentielle Geldgeber zusammenzuführen. Das Gebäude, das möglichst mit privaten Geldern zu realisieren sei, sollte nach Aussage Luthers keine originale Rekonstruktion, sondern eine „intelligente Neukonzeption“ in historischer und moderner Architektursprache werden.

Eine Wiederherstellung der Schinkelschen Bauakademie sollte auch nach Meinung des Berliner Bauhistorikers Jonas Geist erst entschieden werden, wenn die Funktion des Hauses klar sei. „Die Bauakademie“, sagte Geist, „könnte durchaus wieder zu einem Ort für die Theoriearbeit von Architekten und Planern werden.“ Eine „staatliche Nutzung“ könne er sich in dem Gebäude nicht vorstellen. Geist erinnerte daran, daß es möglich sei, die Fassade zu rekonstruieren. Pläne und Zeichnungen von den Innenräumen seien dagegen fast vollständig verlorengegangen. Aus diesem Grunde plädiere er für eine zeitgemäße Ausgestaltung.

Schinkels Bauakademie gehörte zu den Meisterwerken des sparsamen preußischen Klassizisten. Das 1836 fertiggestellte quadratische Haus in schlichtem rotem Backstein galt als bürgerliches Pendant zum feudalen Stadtschloß. Schinkel entlehnte den Baustil den Fabrikbauten, die er auf seiner Englandreise 1826 kennengelernt hatte. Die freie Stellung des vierstöckigen „Roten Kastens“ mit Läden im Erdgeschoß, der Bauschule und Schinkels Wohnung symbolisierte so die Forderung nach Ungebundenheit und Freiheit.

Der kriegsbeschädigte Bau wurde Anfang der 50er Jahre vom Ostberliner Magistrat gesichert. 1953 wurden Formsteine nachbestellt und Fenster eingebaut. Dennoch kam es nicht zur Rekonstruktion. 1958 beschloß das Zentralkomitee der SED den Abriß zugunsten der „Umgestaltung der sozialistischen Hauptstadt“. 1961 sprengten Bauarbeiter das Haus. Die mögliche Rekonstruktion der Fassade, so Jonas Geist, sei möglich, weil die Formsteine und Terrakotten vor der Sprengung „sorgfältig“ ausgebaut und aufbewahrt wurden. Das gesamte Bildprogramm wäre wiederherstellbar. Rolf Lautenschläger