Unorte: Kreative Musterbetten Von Claudia Kohlhase

Muster! Das Wort reicht gar nicht aus. Muster ist eigentlich gleichbedeutend mit Notstand. Ein Notstand, egal wo. Aber Hauptsache da, wo Muster sind. Oder so: wo ein Muster ist, da ist auch ein Notstand. Der größte Notstand ist aber über unsere arme Bettwäsche gekommen. Ein echter Notstand in Form eines gemusterten Heuschreckenschwarms, der in Panik geraten ist. Nehmen wir zur Ehrenrettung der Wäsche an, daß sie nichts dafür kann und daß allein die Fadenziehlinge der Bettwäscheindustrie schuld sind. Ich stelle es mir so vor, daß irgendwo auf dem Land, vielleicht sogar bei Sigmaringen, eine Bettwäschefabrik herumsteht und in ihrem Bettwäschefachblatt gelesen hat, daß jetzt schon die Textilfabrikanten kreativ werden. Ha, hat da Herr Meier aufgeschrieen, der Prokurist, genau: Kreativ müssen wir werden! Auch hat Herr Meier eine Frau daheim, die zu gerne die Meierschen Betten ausschüttelt.

Jedenfalls waren Meiers neulich zum ersten Mal in der Museumshalle der Kreisstadt. Und was hing da nicht alles! So was hatten Herr und Frau Meier in ihrem Leben noch nicht gesehen: geräderte Sonnenblumen, Monde mit Augen, Gesichter mit Kurven, Flecken vor Zacken, eingezäunte Farbfelder, uneingezäunte Farbfelder, ja: verwitterte Pagoden neben abgeschlagenen Säulen und Quadrate und Striche wie Donnerhall. Donnerwetter, dachte Frau Meier, wenn man jetzt noch ein bißchen aufgeschlossen wäre und sich Feinbiber und vielleicht noch einen Tannenwald oder eine hingetuschte Miezekatze dazu vorstellen könnte – das wäre ja nicht auszudenken, wie das aussähe auf der Bettwäsche von meinem Männe seiner Firma. Und sollte man sich nicht auch mal was trauen im Leben?

Herr und Frau Meier kamen also krisen- und zugleich reformgeschüttelt von dem Ausflug in die benachbarte Kunststadt zurück – den Rest kennen wir ja. Furchtlose Gemüter schlafen sogar darin; und warum auch nicht. Denn Meiers haben ja doch eine enorme Aufgeschlossenheit bewiesen und sogar weitergeben können. Dazu gehört einiges, und jemand muß ja mal anfangen. Und darum ist unser Leben nun von Bettwäsche überzogen, die man glatt ins Museum hängen würde, wenn man könnte: da wimmelt es auf einmal von Pagoden vor und hinter Monden mit gekreuzten Sicheln, da strubbeln nur so die geräderten Sonnenblumen, flattern viereckige Blätter über abstrakten Schwänen auf klassizistischen Teichen und bohren sich zackige Schnecken in expressionistische Regenbögen – das alles in Mokkabraun und Tischstaubsaugergrün. Oder aber in Schäferhundkackebeige und Schimmelpilztürkis – aber am liebsten in Feinbiber und noch lieber mit einem zart angetuschten Katzenkopf oben links.

Es ist, als jaulten die Muster den Mond an, mal uneingezäunt, mal mit Jägerzaun, Hauptsache verwegen. Natürlich gibt es auch Bettwäsche, die aussieht wie durchgedrehte Küchengardine aus den 50ern. Aber das ist im Grunde das gleiche und geht ebenfalls ans Eingemachte. Die Träume in solchen Bettwäschen kann kein Mensch mehr verantworten: inhaltlich leer, aber außen voll Form. Man müßte eigentlich aufhören zu schlafen. Oder Frau Meier in die kamelhaarfarbene Wüste schicken. Und wehe, sie kommt zurück und war in irgendeiner kubistischen Oase!