Alle heißen den Streik willkommen

Auftakt der Streiksaison / Seit heute stehen in 20 bayerischen Betrieben die Maschinen still / Ob organisiert oder nicht, die Belegschaft bei Siemens NMA in Nürnberg ist so ziemlich einer Meinung  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Die Arbeiter des Nürnberger Maschinen- und Apparatewerks (NMA), einer Siemens-Tochter, wissen, „der Streik muß sein“. Wenn sie heute zur Frühschicht anrücken, wird bereits gestreikt. Beim Verlassen des Südtores sehen sie noch hektische Betriebsamkeit. Die Container für die Streiklokale werden aufgestellt. Letzte Vorbereitungen der IG Metall für den ersten Metaller- Streik in Bayern seit 41 Jahren.

Den Streikauftakt bilden etwa 20 Betriebe in Nürnberg, Augsburg und Ingolstadt. Da man gemäß der taktischen Marschroute der IG Metall die Gefahr einer „kalten Aussperrung“ minimieren will, sind zunächst nur die Betriebe an der Reihe, deren Fernwirkung auf andere Firmen möglichst gering ist. Siemens NMA gehört dazu. Dort arbeiten knapp 2.000 Beschäftigte, der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist im gewerblichen Bereich mit 80 Prozent sehr hoch. Kein Wunder, daß die Beteiligung an der Urabstimmung mit 97,66 Prozent den bayerischen Durchschnitt von 91 Prozent bei weitem übertroffen hat.

„Wir sind nicht scharf auf einen Streik, aber der Arbeitskampf ist uns von den Arbeitgebern aufgezwungen worden“, betont Gerald Eberwein. Der 38jährige Betriebsratsvorsitzende freut sich, daß der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel aus Frankfurt anreist, um rechtzeitig zu Beginn der heutigen Frühschicht vor den Streikposten am Tor Süd zu sprechen. „Das gibt ein bißchen zusätzliche Motivation, aber die ist sowieso schon sehr hoch.“

Auch bei einem 29jährigen Stahlbauschlosser. Er nennt das Verhalten der Unternehmer, ohne ein Prozentangebot in die Lohnrunde zu gehen, schlicht eine „Frechheit“. Da müsse man sich wehren. Mit einer Lohnerhöhung zwischen 4 und 4,5 Prozent wäre er durchaus zufrieden. „Mehr ist doch sowieso nicht drin.“

Einem 57jährigen Wickler geht es dagegen nicht ums Geld. „Die wollen an alle Sozialleistungen ran, da muß man einfach streiken“, betont er. Er fühlt sich zwar „nicht wohl bei dem Streik“, aber die Vorstellungen des Verbandes der bayerischen Metallindustrie, einer geringen Lohnerhöhung nur bei Einschränkung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie bei der Ermöglichung von untertariflicher Bezahlung zuzustimmen, findet er „provokativ“.

Das meinen auch die Nichtorganisierten. Ein 46jähriger technischer Angestellter, vor 20 Jahren aus der Gewerkschaft ausgetreten, findet den Streik „dringend notwendig“. Es macht ihm nichts aus, daß er im Gegensatz zu seinen organisierten KollegInnen beim Streikgeld leer ausgeht. „Ich habe mir 20 Jahre den Gewerkschaftsbeitrag gespart, jetzt muß ich halt den Gürtel etwas enger schnallen.“ Und das für mindestens zwei Wochen, denn so lange werde seiner Meinung der Streik dauern.

Ein Gewerkschaftseintritt kommt für ihn nicht mehr in Frage. Für viele andere schon – auch wenn sie in diesem Streik dann noch leer ausgehen. Erst nach dreimonatiger IG-Metall-Zugehörigkeit hat man auf Streikgeld Anspruch.

Diese Geschlossenheit zwischen organisierten und nichtorganisierten KollegInnen in den Betrieben geht den Arbeitgebern ab. Man ist nicht bereit, ein Angebot vorzulegen. Am Donnerstag wollen die Arbeitgeber über Aussperrung beraten. Die IG Metall ist gewappnet. Sollten die Arbeitgeber mit Aussperrung reagieren, plant die Gewerkschaft den flächendeckenden Streik. Bis zu 250 Betriebsräte hätten bereits beschlossen, einen streikbedingten Produktionsausfall auf keinen Fall mit Sonderschichten auszugleichen, hieß es bei der IG Metall.