Hoffnung für Rußlands Wirtschafts-Sommer

■ Die Staatsduma einigt sich überraschend schnell auf den Haushalt für 1995 / IWF-Delegation zu Verhandlungen über 6,3-Milliarden-Dollar-Kredit in Moskau

Moskau (taz) – Gestern haben die Deputierten der Staatsduma in dritter Lesung den Haushalt 1995 verabschiedet. In den letzten Wochen waren noch über 600 Änderungsvorschläge zwischen den Fraktionen umkämpft gewesen. Dabei war den Abgeordneten ein budgetsprengendes Gesetz unterlaufen, demzufolge der Minimallohn mehr als verdoppelt werden sollte. Die lächerlich geringe Summe von heute 20.500 Rubel (7 Mark) verdient zwar kaum jemand, sie dient aber als gesetzliche Basis für die Berechnung von Beamtenbezügen und Sozialleistungen. Am Donnerstag hatte Präsident Jelzin sein Veto dagegen eingelegt. Die zur Rückgängigmachung erforderliche Mehrheit brachte die Duma gestern aber nicht mehr auf. Die überraschend schnelle Einigung der Abgeordneten erfolgte im Schatten der Ankunft von acht Herren in Grau: Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF), mit denen die russische Regierung gestern ihre Verhandlungen über einen 6,3- Milliarden-Dollar-Stand-by- Kredit fortsetzte. Ohne die Geldspritze bliebe das Haushaltsdefizit kaum unter der Grenze von 8 Prozent des Bruttosozialprodukts, wie der IWF fordert. Die jetzt vorgesehene Verschuldungssumme von 73 Billionen Rubel (16,8 Milliarden Dollar) entspricht dem.

In den letzten Tagen wird allerdings die Abhängigkeit der russischen Haushaltsplanung von dem IWF-Kredit zunehmend kritisiert. Ebensogut, so der schwedische Experte Anders Aslund in der Iswestija, könne Rußland seinen Staat finanzieren, wenn die zahlreichen Steuervorteile für Erdöl-Exporteure aufgehoben und die gewaltigen Verwaltungsapparate der Regierung und des Präsidenten beschnitten würden. Als winzigen Schritt in die genannte Richtung kürzte die Duma gestern auf Vorschlag der demokratischen Fraktion „Rußlands Wahl“ Ausgaben für den staatlichen Verwaltungsapparat um 1,7 Billionen Rubel und lenkte diese Gelder auf die Mühlen der Wissenschaft und Forschung. Die wichtigsten Änderungen kommen der Landwirtschaft zugute, die 550 Milliarden Rubel mehr erhält, und den Bergarbeitern mit 300 Milliarden. Von der letzten Lesung in zwei Wochen sind keine Änderungen mehr zu erwarten. Gleichzeitig, am 8. März, soll IWF-Exekutivdirektor Michel Camdessus nach Moskau fliegen. Diese Schwalbe wäre für das Wetter im russischen Wirtschaftssommer entscheidend, denn Camdessus' Auftauchen signalisiert gewöhnlich grünes Licht für IWF- Kredite. Barbara Kerneck