■ Ein närrisches Freiluftpissoir erobert Düsseldorf
: In die Bütt, wenn es kütt

Düsseldorf (taz) – „Nase voll, trotzdem doll“, lautet das Motto des diesjährigen Düsseldorfer Karnevals. Es könnte aber mit Unfug und Recht auch heißen: „Blase voll, trotzdem doll“. Denn wenn heute ab 12.56 Uhr „d'r Zoch kütt“, sich unter Trommeln und Pfeifen, Konfetti und Kamelle spuckend durch die Straßen wälzt, kommt entlang der gesamten Route eine aufsehenerregende Neuheit zum Einsatz: KROS, das mobile Pissoir.

KROS ist eine Art Plastikbaum mit Tank. Vier Mannsbilder gleichzeitig können rings an den Nischen Aufstellung nehmen und sich in Trichter hinein erleichtern – „im Freien stehend und doch an ihrem wertvollsten Körperteil sichtgeschützt“, wie KROS-Schöpfer Wilfried Thal aus Wülfrath hervorhebt. 500 Liter all dessen, was ein Mann nicht mehr braucht, verkraftet der Polyethylen-Sockel. Und ehe die Freude endgültig überschäumt, kommt ein spezielles Tankfahrzeug und saugt KROS leer – eine Prozedur, während der sogar „an drei Seiten weiter uriniert werden kann“, schwärmt Thal. Nie lief das feuchtfröhliche Brauchtum so stockungsfrei ab.

Thal hatte im Vorfeld seiner Erfindung bei Schützenfesten und anderen Massenaufläufen Verhaltensforschung getrieben: „Obwohl oft genug ambulante Toiletten vorhanden sind“, so sein Fazit, „ziehen Männer vielfach Bäume und Wände vor“. In der Düsseldorfer Altstadt will der Unternehmer sogar beobachtet haben, wie jemand einen Briefschlitz zweckentfremdete. Wildes Pinkeln, weiß er, verursacht an Mörtel und Mauern erhebliche Schäden. Allein am Kölner Dom sollen sie monatlich 30.000 Mark betragen.

„Ich bin die Bütt, / die Männer brauchen, wenn es kütt“, wirbt der Rheinländer stimmungsvoll für seine Notdurftsäulen. Mit Akzeptanzproblemen rechnet er nicht: „Das wird ein Gewöhnungsprozeß wie bei Altglas- und Altpapiercontainern.“ Vermutlich ein viel rasanterer. Denn je stärker der Druck, desto schneller fallen die Hemmungen. Und sie machen kräftig Druck, die Brauereien der Landeshauptstadt. Der Narrenspiegel, die offizielle Programmillustrierte, nimmt sich so aus wie eine Bierzeitung. Da prostet die Oberbürgermeisterin, je länger, je lieber, in die Kamera. Die Band „Halber Liter“ und ein „Altbier- Rap“ werden präsentiert, ein Brauherr ruft dazu auf, „im Karneval die Altbier-Kultur zu pflegen“ – als wimmelte es in dem Blatt nicht ohnehin schon von ganzseitigen Anzeigen „wider den bierischen Ernst“. Selbst der Setz- und Trennfehlerteufel ist zur Stelle: Aus dem 11. 11. macht er einen zukünftigen „Karaneval-sauftakt“.

Es scheint, als gehe vom KROS- Einsatz ein ungemein belebender Rückkopplungseffekt auf die Anbieter des Gerstensaftes aus. Wo die Entsorgung so schön geregelt ist, da kann die Versorgung zu definitiver Form auslaufen. Was betriebs- und volkswirtschaftlich auch dringend geboten ist. Denn nach dem „deutschen saisonalen Ausschlag nach oben“, so Brauereichef Gatzweiler, „fallen wir erst einmal vier Wochen in ein großes, tiefes Loch“.

Während die „trinkfreudigen Männer“ mit KROS liebevoll um- und entsorgt werden, muß sich der weibliche Teil des Jeckenvolkes ins Vorhandene schicken. Immerhin wirke sich KROS positiv auf den Zustand der Klobrillen aus, macht Wilfried Thal geltend („denn einmal ehrlich, wer von den Männern setzt sich denn hin“). Im übrigen schlucken die Frauen ohnehin weniger Alt weg. Diesem Naturgesetz tragen auch die Vereine auf ihren Umzugswagen Rechnung. „Blau- Gold“ zum Beispiel hat sein Wurfmaterial für heute passend differenziert: 11.111 Biermarken für die Narren, 2.222 Rosen für die Närrinnen. Olaf Cless