■ Wahlen ohne Wahl-Alternative in Tadschikistan
: Einer, der die Befindlichkeit kennt

„Demokratie ist Opium für das Volk“, spottet man in den mittelasiatischen Städten. In den meisten der fünf Muslim-Republiken der ehemaligen Sowjetunion unterscheidet sich die politische Herrschaft nur in Namen und Symbolen von dem einstigen Regiment der kommunistischen Nomenklatura.

Auch in der Republik Tadschikistan sind die Parlamentswahlen nicht mehr als demokratisches Feigenblatt eines diktatorischen Regimes. Zu Recht zweifeln die internationalen Organisationen an der Korrektheit der tadschikischen Wahlen. Das tadschikische Wahlgesetz ist nämlich alles andere als demokratisch. Außer den Regierungsparteien, zu denen auch die KP gehört, sind alle politischen Gruppierungen praktisch vom Urnengang ausgeschlossen. Dafür sorgt die staatliche „Registrierung“ zur Parteizulassung der Parteien und ihrer Kandidaten. Als das tadschikische Parlament, ein Sowjet-Relikt, im September vergangenen Jahres das von Staatspräsident Imam Ali Rahmanow vorgelegte Wahlgesetz verabschiedete, gab es, wie in guten alten Zeiten des Kommunismus, nur eine Gegenstimme. Die ersten „freien“ Wahlen nach dem Zerfall der Sowjetunion sollen lediglich die Herrschaft Rahmanows, der durch einen blutigen Putsch 1992 an die Macht gekommen ist, legitimieren.

Doch selbst wenn die tadschikischen Wahlen frei wären, würde das Ergebnis nicht ganz anders ausfallen als zugunsten des Staatschefs. Ein Jahr lang tobte im tadschikischen Bergland ein blutiger Bruderkampf. Es ging nicht um Feindschaft zwischen dem Kommunismus und dem Islam, auch nicht um ethnische Konflikte. Eifersüchtige Städte und Provinzen kämpften trotz gleicher Herkunft und Sprache miteinander. Der Lokalchauvinismus, eine Folge des stalinistischen „Teile und herrsche“, kostete 20.000 Menschen das Leben. Eine halbe Million Tadschiken floh aus dem Land. Der schreckliche Aderlaß hat die Tadschiken vorerst von ihren tödlichen Leidenschaften kuriert. Vom Rausch der Freiheit ist nur Katzenjammer geblieben. Heute sitzen die Männer aus den einst verfeindeten Provinzen in den Teehäusern zusammen und teilen „Salz und Brot“. Mit Geschick und Gewalt ist es dem ehemaligen Kolchosdirektor Rahmanow gelungen, das tadschikische Bergland weitgehend zu befrieden. Geschossen wird nur noch am Amudarja, dem Grenzfluß zwischen Tadschikistan und Afghanistan. Südlich des Amudarja halten sich die muslimischen Freischärler und melden sich von Zeit und Zeit mit Kalaschnikows zu Wort, bewaffnete Scharmützel ohne militärische Bedeutung.

Imam Ali Rahmanow weiß Bescheid über die Befindlichkeit seiner Untertanen. Er verspricht dem tadschikischen Volk nicht die Demokratie und Freiheit, sondern Frieden und Brot. Damit hat er ein gewisses Ansehen bei der Bevölkerung erlangt, woran auch die undemokratischen Wahlen nichts ändern werden. Ahmad Taheri