Grundrecht Datenautobahn

Jeder soll Zugang zu Informationsnetzen bekommen, meinen die Europäische Union und die USA / G-7-Konferenz streitet über Geschwindigkeit der Liberalisierung  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Pünktlich vor der Konferenz der sieben führenden Industriestaaten über die globale Informationsgesellschaft, lieferte die Industrie ein praktisches Beispiel, worum es geht. Die US-Telefongesellschaft AT&T, die den angeschlagenen französischen Konzern Bull durch eine Beteiligung sanieren wollte, zog ihr Angebot ganz plötzlich zurück. Ihre Begründung: Frankreich verweigere Lizenzen, mit denen AT&T in Europa auf dem Telekommunikationsmarkt einsteigen könnte. Die von der Europäischen Union für 1998 beschlossene Aufhebung der Telekommonopole sei zu spät. Jetzt fürchtet die deutsche Telekom die Rache der USA: Sie will sich an der US-Firma Sprint beteiligen – doch das könnte nun von US-Behörden verweigert werden. Die G-7-Konferenz in Brüssel geriet zu einem dreitägigen Plädoyer für die Aufhebung von Monopolen und Handelshemmnissen, wobei sich die USA und die EU gegeseitig den schwarzen Peter zuschoben.

US-Vizepräsident Al Gore warf den Europäern vor, den Tekekom- und Informationssektor zu spät und nicht ausreichend zu liberalisieren. Die USA würden noch in diesem Jahr ihre Unternehmen für ausländische Investoren öffnen. Sie könnten sich dann, vorausgesetzt, sie haben das nötige Kleingeld, statt wie bisher nur zu 25 Prozent künftig zu hundert Prozent in US-Firmen einkaufen. Allerdings gelte das Angebot nur für Länder, die selbst zu einer Marktöffnung bereit seien.

Vertreter der Europäischen Union hielten dagegen, daß sich die USA bei Dienstleistungen stärker als die Europäische Union gegen ausländische Konkurrenten abschotte. Eine europäische Richtlinie verpflichte alle Betreiber von Telefonnetzen, Aufträge, beispielsweise über den Kauf von Computern oder Softwareprogrammen, international auszuschreiben. In den USA gilt diese Ausschreibungspflicht nur für staatliche Unternehmen, nicht aber für die durchweg privaten Telefongesellschaften, die erfahrungsgemäß nur auf dem amerikanischen Markt einkaufen.

Auch innerhalb der Europäischen Union gibt es starke Meinungsunterschiede. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt fordert eine möglichst schnelle Liberalisierung auf allen Ebenen. Die französische Regierung sorgt sich dagegen, daß die kapitalstarken US-Gesellschaften die europäischen Konkurrenten auch in Europa vom Markt verdrängen könnten. Sie fordert deshalb genaue Regeln, unter welchen Bedingungen Lizenzen für private Telefonnetze vergeben werden.

Spitzenmanager von 45 führenden Informationsunternehmen – von Siemens bis IBM – rechneten den Politikern vor, wieviel neue Möglichkeiten und neue Arbeitsplätze durch die Deregulierung entstehen werden. Dadurch würde der Markt für Netzbetreiber und Kommunikationsdienste von derzeit 880 Milliarden Mark bis zum Jahr 2000 auf 1,5 Billionen explodieren. 10 Millionen neue Arbeitsplätze könnten dadurch entstehen. Wieviele Millionen wegrationalisiert werden, darüber gibt es bisher aber keine Zahlen.

Die Politiker übernahmen die Argumente der Manager, beeilten sich aber mit der Versicherung, die gesellschaftlichen Auswirkungen im Auge zu behalten. Nach der Deregulierung, sagte der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors, müsse eine Phase der Neuregulierung kommen. Als ersten Schritt in dieser Richtung einigten sich die G-7-Regierungen auf sechs Grundprinzipien, die auf der nächsten Konferenz im Sommer in Halifax quasi als Weltgesetze beschlossen werden sollen.

Danach soll jeder Bürger Zugang zu den weltweiten Datennetzen haben, die durch einheitliche Standards angeglichen werden sollen. Die Netze dürfen nicht durch Monopole behindert und nicht an nationalen Grenzen abgeschottet werden. Außerdem müssen alle teilnehmenden Länder sicherstellen, daß persönliche Daten geschützt und das Urheberrecht gewahrt bleibt.