Professioneller Killer

■ Gestern begann Prozeß um Morde an russischen Ikonenhändlern / Neue Erkenntnisse über illegalen Handel?

Der Angeklagte ist blaß. In sich versunken verfolgt er die Anklage, die ihm die Dolmetscherin übersetzt. Dem 44jährigen staatenlosen Vladimir Svintkovski wird vorgeworfen, die russischen Ikonenhändler Witalij Ljachowskij und Avraham Gleser ermordet zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem in Warschau geborenen Russen außerdem vor, von einem Berliner Galeristen antiquarische Bücher im Wert von 220.000 Mark mit der Kreditkarte eines verschollenen russischen Ballettänzers erworben zu haben.

Der Angeklagte äußerte sich gestern vor der 29. Strafkammer des Landgerichtes nicht zu den Vorwürfen. Nach Angaben des Gerichtsgutachters bekommt der gelernte Architekt, der sich seit April letzten Jahres in Haft befindet und mehrmals in Rußland in psychiatrischer Behandlung war, Antidepressiva und Neuroleptika. Anwalt Andreas Schulz, der die Angehörigen Ljachowskijs in der Nebenklage vertritt, geht wie auch die Anklage davon aus, daß Svintkovski ein professioneller Serienkiller sei, der aufgrund wahnhafter Störungen und aus Profitgier handele.

Der Angeklagte, der seit 1990 in Berlin lebt, handelte hauptsächlich mit Antiquitäten und Ikonen. Laut Anklage war er auch mit der Einfuhr und dem Verkauf von illegal aus den GUS-Staaten nach Deutschland gebrachten Ikonen befaßt. Der Angeklagte habe auf diese Weise Kontakt zu den ermordeten Galeristen bekommen, die als sehr mißtrauisch galten.

Der Angeklagte, der bei regelmäßigen Spielbankbesuchen erhebliche Geldbeträge verspielte habe, so die Anklage, aufgrund finanzieller Probleme im Herbst 1993 den Beschluß gefaßt, Ljachowskij und Gleser zu töten. Im Dezember 1993 soll er gemeinsam mit zwei Mittätern Ljachoswkij in seiner Wohnung hinterrücks durch zwei Kopfschüsse umgebracht haben. Die Täter sollen außerdem 200.000 Mark erbeutet haben. Sechs Wochen später habe er sich unter der Vorspiegelung, wertvolle Ikonen anbieten zu wollen, mit Gleser in dessen Galerie verabredet. Svintkovski, der mit einem Paket mit Preßspanplatten erschienen war, soll Gleser mit einem Kopfschuß getötet haben. Danach fehlten 65 Ikonen im Wert von 1,5 Millionen Mark.

Die Mordumstände erinnerten in beiden Fällen nach Einschätzung der Polizei an eine Hinrichtung. Nach Meinung von Experten sei es so gut wie unmöglich, legal Kunstwerke aus Rußland zu importieren. Laut Anklage laufe der illegale Handel über Personen, die als Beschäftigte der von Kiew nach Berlin fahrenden Eisenbahnzüge tätig seien. So gelangten die Ikonen als Gepäck aus Weißrußland und Rußland nach Berlin.

Auch bei den Moskauer Strafverfolgungsbehörden läuft ein Verfahren gegen den Angeklagten wegen der Tötung eines Moskauer Ikonenhändlers im Oktober 1993. Dieser war, wie die Berliner Händler, mit einer bisher unbekannten Waffe mit 7,65 Millimeter Kaliber erschossen worden. Svintkovski war in Berlin mit vier Ikonen gesehen worden, die bei dem Moskauer Händler gestohlen worden waren. Aber auch gegen die in Berlin ermordeten Ikonenhändler erheben die russischen Behörden schwere Vorwürfe wegen organisierten Schmuggels. Barbara Bollwahn