"Gemäßigter Kulturkampf"

■ In Polen attackieren Regierung wie Opposition ausländische Presseinvestitionen

„Ausländische Pressebeteiligungen können zu einem Instrument werden, Polen fremde politische Ansichten zu oktroyieren“, wettert Tadeusz Samborski, „das untergräbt unsere nationale Identität.“ Für den Abgeordneten der Bauernpartei ist ausländisches Kapital auch dafür verantwortlich, daß die Regierung von den Medien so scharf kritisiert wird: „Gerade Zeitungen mit ausländischen Beteiligungen sind besonders stark in politische Auseinandersetzungen verwickelt. Strategische Anteile an Presseunternehmen sollten sich deshalb grundsätzlich in polnischen Händen befinden.“

Solche Äußerungen haben an der Weichsel derzeit Konjunktur. Als vor gut einer Woche auch das Warschauer Parlament in diesem Tenor über das Thema debattierte, hielt lediglich die Freiheitsunion des ehemaligen Premierministers Mazowiecki dagegen. Sie meint, daß Polens Problem weniger die ausländischen Investitionen sind als vielmehr Monopoltendenzen – unabhängig von der Herkunft des Kapitals. Unterstützung für ihre Position kommt vor allem aus den Redaktionen selbst, in denen seit der Privatisierung meist die Löhne und Sozialleistungen drastisch anstiegen und enorme Investitionen getätigt wurden.

Die große Mehrheit der Abgeordneten dagegen will Obergrenzen für ausländische Investitionen in den Medien einführen. Sowohl die beiden Regierungsparteien Bauernpartei und Sozialdemokraten als auch die oppositionelle antikommunistische „Konföderation Unabhängiges Polen“ (KPN) sind dafür. Die Rede ist von einer Obergrenze zwischen 33 und 45 Prozent Beteiligung.

Deutsches Geld in Schlesiens Zeitungen

Die KPN sieht vor allem in deutschen Medieninvestitionen eine Gefahr für die territoriale Integrität Polens. Sie argumentiert, deutsche Unternehmen investierten besonders in jenen Gebieten, die früher zu Deutschland gehörten – in Danzig und Schlesien. Nach Informationen der Regierung sind ausländische Investoren an 56 Prozent der überregionalen und an der Hälfte der regionalen Titel beteiligt. Zusammen ergebe das 70 Prozent der gesamten in Polen verkauften Auflage.

Mit solchen Zahlen wird allerdings leichtfertig umgegangen, meist sind es nur Schätzungen. Auch jene enorm erscheinenden 70 Prozent kommen erst durch die vielen TV-, Frauen-, und Jugendmagazine zustande, die zum Teil Millionenauflagen erreichen, aber bar jeden politischen Inhalts sind.

Sieben große regionale Tageszeitungen befinden sich in der Hand der Passauer Verlagsgruppe. Die Blätter sind tatsächlich fast alle in ehemals deutschen Gegenden angesiedelt, doch gekauft haben die Passauer sie vom französischen Pressemagnaten Hersant, der vor einem Jahr in finanzielle Schwierigkeiten geriet und verkaufen mußte. Franz Hirtreiter, Konzernchef der Passauer Verlagsgruppe, meint deshalb: „Es ist nicht so, daß wir uns Schlesien und Danzig ausgesucht haben, das war Hersant. Ihm hat der polnische Staat damals die Titel verkauft.“

Hirtreiter dementiert auch heftigst, hinter dem Passauer Konzern stehe in Wirklichkeit Bertelsmann. Solche Vermutungen waren aufgekommen, weil Hirtreiter seine Kaufobjekte in Begleitung einer Bertelsmann-Vertreterin besucht hatte. Seinen Dementis zum Trotz bleibt die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten mißtrauisch.

Die Presseexpansion ausländischer Konzerne könne man als „gemäßigte Form des Kulturkampfes“ bezeichnen, fand kürzlich die Wochenzeitung Wiadomosci Kulturalne, die vom Kulturministerium, das die Bauernpartei beherrscht, finanziert wird.

Im Bund mit der Kirche gegen die „Bravo“

In Polen assoziiert man bei Kulturkampf weniger Bismarcks Vorgehen gegen die katholische Kirche als den Kampf für ein polnisches Nationalgefühl in den ehemals deutschen Ostgebieten. So sitzen exkommunistische Sozialdemokraten, Bauernpartei und nationalistische Opposition plötzlich in einem Boot mit der katholischen Kirche, der es ebensowenig gefällt, daß deutsche Verlage in Polen einen Titel nach dem anderen auf den Markt werfen, meist Übersetzungen von Bravo, Popcorn, Frau im Spiegel und anderen.

Unbeliebt haben sich einige der ausländischen Verleger auch dadurch gemacht, daß sie ihre Chefredakteure feuerten, so etwa der Schweizer Ringier, der eine Wirtschaftswochenzeitung aufgebaut hat, und die italienischen Eigner der Wirtschaftstageszeitung Nowa Europa.

Daneben sind in Polen auch norwegische und amerikanische Verleger aktiv, und der Franzose Hersant besitzt immer noch 49 Prozent am einstigen Regierungsorgan Rzeczpospolita, der sardische Berlusconi-Freund Nicola Grauso ist Mehrheitsaktionär der Tageszeitung Zycie Warszawy. Letzterer hat bereits vorgeführt, daß Obergrenzen für ausländische Beteiligungen gegen Monopolbildungen wenig helfen. Als Miteigentümer mehrerer regionaler Fernsehstationen durfte er nicht mehr als 33 Prozent halten. Soviel war auch in den Handelsregistern eingetragen. Doch als Grauso verkaufen mußte, standen plötzlich 80 Prozent zum Verkauf. Die Differenz hatten offensichtlich Strohmänner gehalten. Klaus Bachmann, Warschau