Baring's sperrt der Queen das Konto

■ Konkurrenz will Bank übernehmen / Debakel auch in Deutschland möglich

Dublin (taz/AP) – Die Polizei in Singapur möchte „dringend mit Nick Leeson sprechen“, hieß es gestern. Der 28jährige Börsenmakler der angesehenen britischen Baring's-Bank, der mit riskanten Derivatgeschäften auf japanischen Märkten seinen Arbeitgeber an den Bettelstab gebracht hat (siehe taz von gestern), ist jedoch untergetaucht.

Im Stammhaus in London und bei der Bank von England, die bisher noch kein Survival-Paket für Baring's schnüren konnte, ist der Katzenjammer groß. Man fragt sich, wie das wohl passieren konnte – und ignoriert dabei die Tatsache, daß sich bei Termingeschäften schon eine ganze Reihe von Unternehmen die Finger verbrannt haben. Erstaunlich ist allerdings, daß Leesons Fehlspekulationen so lange unbemerkt blieben.

Notenbankpräsident Eddie George entwickelte deshalb ähnlich wie der Bankchef Peter Baring eine Verschwörungstheorie: „Es muß irgendeine Art von Komplizenschaft zwischen dem Makler und einigen Bankangestellten gegeben haben“, sagte er. Schatzkanzler Kenneth Clarke hat eine Untersuchung eingeleitet, nachdem Gerüchte laut geworden sind, wonach Leeson bereits seit zwei Jahren in einen ausgeklügelten Betrug mit Derivaten im Fernen Osten verwickelt sein soll.

Wahrscheinlicher ist es, daß Leeson sich ganz einfach verspekuliert hat und in dem Bemühen, den Schaden durch neue Termingeschäfte auszugleichen, immer tiefer in den Schlamassel geriet. Er hat ohne Genehmigung mit insgesamt 17 Milliarden Pfund spekuliert und dabei mindestens 750 Millionen Pfund Verluste eingefahren. Klar ist, daß sich das älteste britische Bankhaus aus eigener Kraft nicht mehr über Wasser halten kann. Der Zwangsverwalter Nigel Hamilton von der Firma Ernst and Young sagte jedoch, daß zahlreiche britische, europäische und US-Banken Interesse an einer Übernahme angemeldet haben. Die Konten bei Baring's, darunter ein von Prinz Charles eingerichtetes Stiftungskonto sowie mehrere Privatkonten seiner Mutter, sind vorerst eingefroren.

In Deutschland sei ein derartiges Debakel bei einem völligen Versagen der Kontrollsysteme auch möglich, sagte ein Sprecher der Deutschen Börse AG. Der Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen, Wolfgang Artopoeus, sagte, sein Amt halte die Banken zwar dazu an, „interne Kontrollsysteme aufzubauen“, das helfe aber nicht, wenn Mitarbeiter sich nicht an Weisungen hielten. Ralf Sotscheck

Siehe Porträt Seite 11