Die UNO will in Kroatien bleiben

■ Neuer Oberkommandierender der UN-Truppen benannt /Tudjman wiederholt Rückzugsforderung und rechnet weiter mit einer Nato-Aktion zur Grenzsicherung

Zagreb (taz) – Ungeachtet der kroatischen Ankündigung, das Unprofor-Mandat in Kroatien am 31. März auslaufen zu lassen, wurde gestern ein neuer Oberkommandierender der UN-Truppen im ehemaligen Jugoslawien benannt. Mit Generalleutnant Bernard Janvier wurde der bisherige Oberkommandierende Bertrand Delapresle wiederum durch einen französischen Militär abgelöst.

Auf einer Pressekonferenz in Zagreb erklärte der neue Oberkommandierende gestern, er gehe davon aus, daß die Unprofor- Truppen weiterhin in Kroatien bleiben würden. In Anspielung auf die Forderung, die Nato sollte die Blauhelme in der Krisenregion ablösen, hatte schon General Delapresle in seiner Abschiedsrede darauf verwiesen, daß die Nato bisher ein den UN-Truppen „dienendes Verhältnis“ eingenommen habe – und dies solle auch so bleiben.

Von Aufbruchstimmung ist im UN-Hauptquartier in der Tat nichts zu spüren. Unterdessen steigt die negative Haltung gegenüber den UN-Truppen in der kroatischen Öffentlichkeit. Die Ankündigung des US-Repräsentantenhauses, die Finanzierung für Blauhelm-Einsätze einzustellen, wurde dagegen begrüßt.

Während eines Treffens mit dem türkischen Präsidenten Suleyman Demirel am späten Montag abend bekräftigte der kroatische Präsident Tudjman, Kroatien erwarte eine militärische Aktion der Nato zum Schutz des Rückzugs der Unprofor-Truppen aus Kroatien. Kroatien erhoffe sich darüberhinaus die Sicherung seiner Staatsgrenzen durch die westliche Verteidigungsgemeinschaft.

Kroatische Truppen werden zur Zeit an verschiedenen Stellen der aktuellen Demarkationslinien konzentriert. Nach inoffiziellen Angaben würden bei einem Rückzug der Unprofor-Truppen aus den serbisch besetzten Gebieten kroatische Truppen mit Unterstützung der Nato versuchen, in die serbisch besetzte Zone vorzudringen. Auch für Bosnien sei ein ähnliches Szenario vorstellbar. Der militärische Aufbau der Nato für eine solche Operation sei schon vorhanden: In verschiedenen europäischen Ländern stünde die entsprechende Logistik bereit.

Allen Dementi westlicher Staaten zum Trotz scheint diese Option nicht mehr ganz aus der Luft gegriffen. Im Weißen Haus zumindest blieb eine Meldung der Washington Post vom Wochenende unwidersprochen, wonach sowohl US-Außenminister Warren Christopher wie auch Verteidigungsminister William Perry Präsident Clinton empfohlen haben sollen, Bodentruppen in die Krisenregion zu entsenden. Erich Rathfelder

Kommentar auf Seite 10