Foster, Hanks etc.
: Lautere Herzen, mit Einfalt bepinselt

■ Bekommt das diogenesische Traumpaar aus der Tonne den Oscar?

Nach „Forrest Gump“ hätte man jedem wunderlichen Geschöpf, das im Tiergarten die Tauben füttert, bei seiner Lebensgeschichte zuhören mögen, hätte es denn gesprochen, statt stumm sein Brot ins Leere zu verfüttern und Befremdliches zu grummeln, was in solchen Situationen doch eher der Fall ist. Und als am Ende von „Nell“ der Vorhang fiel, sahen alle Bag-Ladies vor dem Bahnhof Zoo engelshaft wie höhere Wesen aus. Verkündet haben sie dann nichts, nur zahnlos um eine Mark gebeten. So läßt einen das große Gefühls-Kino draußen in der Welt doch ziemlich allein mit seiner Lektion in Sachen Menschenliebe stehen.

Das neue Hollywood baut auf Mitleid, nicht auf Unbehagen. Diese Woche hat die Gewerkschaft der Filmschauspieler im Vorausgriff auf die Oscar- Verleihung am 27. März eine Art diogenesisches Traumpaar aus der Tonne zusammengewählt: Jodie Foster und Tom Hanks sind für ihre Rollen in „Nell“ und „Forrest Gump“ als beste DarstellerInnen ausgezeichnet worden. Zwei Maskottchen des gesellschaftlichen Off, doch ohne die rettende Hinterhältigkeit kafkaesker Figuren. Wo andere längst zur Flinte gegriffen hätten, halten Miss Nell und Herr Gump gleich ihr ganzes Seelenleben hin – lautere Herzen, argfremd und ironiefrei.

Foster spielt ein Mädchen aus gutem Walde, das in einem zarten Gemisch aus gutturalem Kauderwelsch und balletthaften Gesten durch die Neuzeit schliddert, bevor es von Psychologen in einer platonisch eingefärbten Ménage à trois zwischen Hausboot und Hütte studiert wird. Manchmal hüpft sie nächtens nackt zum Baden in den See, und die Analytiker springen hinterher. Schließlich wird sie als geheilt zurück auf die Lichtung entlassen. Eine Elfe im Zeitalter des Wassermanns.

Tom Hanks muß als „Forrest Gump“ zwei Stunden lang steif wie ein Sittich auf der Parkbank ausharren, bloß um einer älteren Dame, die doch gar nichts für ihr Sitzbedürfnis kann, von Mutterns Pralinenschachteln, Football und Millionen, dem Mädchen seiner Träume, der Kriegsreise nach Vietnam, einem Date mit Elvis und seinem Hang zum Marathon-Lauf zu erzählen.

Soziales zum Knuddeln: Plötzlich erscheint der tumbe Tor als Leitbild neben Trapper Gingrich und seinem Mohikaner Clinton. Die stille Einfalt wird wie ein Lichtschweif über den vermurksten Alltag im pc- und Reality-TV-geprüften Amerika gepinselt. Sanft fällt der Blick von Forrest Hanks auf die Vergangenheit, die nur per Computertrick auf ihn zurückblickt; gefühlsschlicht verabschiedet sich Nell Foster von einer Zivilisation, in der Gorillas nicht im Nebel, sondern durch Medien wandeln. Wenn Ängste einfach nur ausgesessen werden, geht der eine Oscar in diesem Jahr an die Reserve auf der Bank – und der andere zurück zum Ursprung. hf