Keine Kompromisse

■ betr.: „Merkel zwingt Griefahn amtlich zur Castor-Lüge“, taz vom 16. 2. 95

[...] Angela Merkel vertritt mit ihrer Weisung eine Rechtsauffassung, nach der die PolitikerInnen verpflichtet sind, nur im Interesse der weiteren Nutzung der Atomkraft zu handeln und zu reden. Den Atomfirmen wird ein uneingeschränkter Anspruch auf den Betrieb ihrer Atomanlagen unter Hinnahme der damit verbundenen Risiken zugestanden. Der Anspruch der Bevölkerung auf Schutz von Leben und Gesundheit hingegen wird mißachtet.

Der Schutz der Menschen in der Bundesrepublik muß auch außer acht gelassen werden, wenn man Atomkraftwerke betreiben will. Die Atomtechnologie ist nicht beherrschbar, das heißt, sie führt zu massiven gesundheitlichen Schäden mit teilweise vorzeitigem Tod bei vielen Menschen und bedroht uns mit der Atomkatastrophe, die zur Verelendung der gesamten Bundesrepublik führt. Monika Griefahn hat den Rechtsanspruch der Atomfirmen auf den Betrieb der Atomkraftwerke nie grundsätzlich in Frage gestellt. Damit hat sie sich schon immer dem angeblichen Rechtsanspruch der Atomfirmen auf das Eingehen von Risiken gebeugt. Das heißt, sie hat sich schon immer verpflichtet gefühlt, im Interesse der Atomwirtschaft tätig werden zu müssen.

Auch bei dem Transport des Castors und bei der Verletzung der Ladevorschriften handelt es sich um solche als rechtlich akzeptiert geltenden Risiken. Mit der Forderung nach einem Nachweis für die Dichtigkeit des Behälters will die atomrechtliche Aufsichtsbehörde Niedersachsens ein Risiko überprüfen lassen. Dies wird ihr von der Bundesumweltministerin verboten, weil das Risiko als erlaubt gilt und nicht weil ein Risiko vermutet werden darf.

Aus dem Anspruch auf das Eingehen der atomaren Risiken ergibt sich für die Bundesumweltministerin die rechtliche Bedeutungslosigkeit der Verladevorschriften. So handelt denn Frau Merkel bei der Erteilung der Weisung aus ihrer Sicht nur folgerichtig. Sie kann nicht billigen, daß die Amtskollegin in Niedersachsen versucht, mit juristischen Kinkerlitzchen die Atomwirtschaft zu behindern.

In Sachen Atomkraft gibt es keine Kompromisse. Wenn Atomkraftwerke betrieben werden sollen, muß die Bevölkerung ihres Rechts auf Leben und Gesundheit beraubt werden. PolitikerInnen, die aus der Nutzung der Atomkraft aussteigen wollen, haben keine Wahl. Sie müssen sich auf das Grundrecht der Bevölkerung auf Leben und Gesundheit und ihrer sich daraus ergebenden Verpflichtung, Betriebsgenehmigungen zu verweigern und zu entziehen, berufen. Traute Kirsch, Beverungen