Export von Klimaschutz?

Ökonomisch clever, politisch schwierig: Eine neue, angeblich billige Variante der CO2-Verringerung  ■ Von Felix Berth

Manche Ideen wirken im ersten Moment ausgesprochen überzeugend. „Joint Implementation“, gemeinsame Klimapolitik von Industrie- und Entwicklungsländern, ist eine dieser Ideen mit viel Charme, doch diversen Schwierigkeiten in den Details. Eine Feststellung steht dabei am Anfang des Konzepts: Klimaschutz ist in den Industrieländern zum Teil sehr teuer. Die Modernisierung eines Kraftwerks in der Bundesrepublik zum Beispiel kostet schnell einige hundert Millionen Mark. Warum also sollten die Industrieländer nicht Klimaschutz in anderen Ländern finanzieren, wo die gleichen Effekte billiger zu haben sind? Das CO2, das dadurch eingespart wird, könnten sich die Industriestaaten dann in ihren nationalen Klimabilanzen gutschreiben.

Ein paar dieser Projekte laufen bereits. In den Vereinigten Staaten gibt es einige Energieversorgungsunternehmen, die große Aufforstungsprojekte in Malaysia finanzieren. Welche Bäume dort wachsen, ist dabei nicht sonderlich wichtig – es geht nur darum, daß sie beim Wachstum möglichst viel CO2 speichern. Die amerikanischen Energieversorger haben bereits Zahlen präsentiert, wie kostengünstig diese Spielart des Klimaschutzes sei: Die Einsparung von einer Tonne CO2 soll auf diese Weise nur gut eine Mark kosten.

Umweltschützer, Ökonomen und Klimawissenschaftler streiten seit einiger Zeit heftig über dieses Konzept. Die Reaktionen reichen von Zustimmung über Skepsis bis zum wütenden Zetern. Bei dem erwähnten Beispiel der Aufforstungen zumindest sind sich die meisten in der Ablehnung noch einig: Der neugeschaffene Wald in Malaysia ist eine Monokultur – mit allen ihren ökologischen Schwierigkeiten. Und außerdem liefert der Wald nur einen klimapolitischen Zeitgewinn. Sobald er abgeholzt und verbrannt wird, ist der CO2- Effekt wieder passe, das Treibhausgas wird dann wieder frei.

Sehr viel schwieriger wird die Diskussion des gleichen Konzeptes für den Energiesektor. Unbestritten sind westliche Kraftwerke heute bereits relativ effizient, und jede weitere Verbesserung ist teuer. Sehr viel billiger wäre die Modernisierung von Kraftwerken in Tschechien oder Rußland.

Doch Hermann Ott vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie fürchtet, daß dadurch Klimaschutz in den Industrieländern gebremst würde: „Die momentanen Vorschläge einiger Staaten laufen unter dem Motto: Zu Hause können wir nicht, aber wir müssen den besorgten Bürgern was bieten.“ Stephan Singer vom WWF ist ebenfalls skeptisch: „Die Gefahr ist, daß in den jeweiligen Staaten die Technik von vorgestern nur auf den Stand von gestern gebracht wird.“ Außerdem komme die größte Menge CO2 aus den Industriestaaten – in anderen Staaten könne insgesamt vergleichsweise wenig eingespart werden.

Die Regierungen sind höchst unterschiedlicher Ansicht, ob und wie „Joint Implementation“ sinnvoll sein kann. Die Staaten des ehemaligen Ostblocks sind dafür, denn so kommen sie billig an moderne Technologien. Die Entwicklungsländer dagegen lehnen das Konzept ab, solange der Norden nicht ebenfalls deutlich macht, daß dort Klimaschutz nicht nur gefordert, sondern auch betrieben wird. Die Industriestaaten selbst setzen sich meist für erste Pilotprojekte ein, was wahrscheinlich auch beim Klimagipfel in Berlin als erster Schritt festgelegt wird.

In jedem Fall bleibt der Zeitpunkt der Diskussion über „Joint Implementation“ merkwürdig: Noch gibt es keine internationale Vereinbarung, wieviel CO2 die Industriestaaten sparen müssen – und schon wird debattiert, wann die Pflichten gelockert werden.