Die Arbeitgeber sind in der Defensive

■ 300 bayerische Unternehmer entscheiden heute über eine Eskalation des Arbeitskampfes: Wer schlecht gewirtschaftet hat, nörgelt am lautesten

21.000 Metaller in 33 bayerischen Firmen streiken. Kommt von den Arbeitgebern kein Angebot, soll der Arbeitskampf nächste Woche ausgeweitet werden. Die bayerischen Metall-Arbeitgeber ihrerseits entscheiden heute, ob sie Beschäftigte aussperren wollen. Verschärfung oder erneute Tarifverhandlungen – das ist die Frage, die heute bei den 300 Mitgliedern des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie und im 30köpfigen Verbandsvorstand erörtert wird. Auch Gesamtmetall tritt zusammen.

In der Sitzung des bayerischen Arbeitgeberverbandes in Freising bei München müßten die Verbandsmitglieder mit einem „Ja“ potentiellen Aussperrungen zustimmen. Ob es dann tatsächlich zu Aussperrungen kommt, entscheidet allerdings immer noch der Verbandsvorstand.

Genauso wichtig wie die Frage der Aussperrung ist aber die Frage eines konkreten Lohnangebots. Die 30- bis 35köpfige Tarifkommission des Arbeitgeberverbandes dürfte dabei sehr genau auf die Meinung der Mitglieder, zumeist Mittelständler, hören. „Schließlich muß die Mitgliederversammlung am Ende auch einem Tarifabschluß zustimmen“, erklärt Verbandssprecher Peter Thelen. Genau diese Mitgliedschaft im Unternehmerlager aber ist gespalten. Am liebsten würden viele Arbeitgeber mit ihrer Belegschaft ihren eigenen Tarifvertrag abschließen. So kritisierte beispielsweise die Vereinigung Mittelständischer Unternehmer (VMU) die ungeschickte Taktik des Dachverbanvon Gesamtmetall – der eigene Vorschlag des VMU aber sieht keineswegs eine gleichmäßige moderate Lohnerhöhung für alle Beschäftigten vor. Vielmehr würde der VMU gerne tarifliche „Korridore“ zwischen einem und vier Prozent einführen, deren Höhe in den einzelnen Unternehmen je nach Wirtschaftslage ausgehandelt werden soll. Kein Wunder, daß solche extremen Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur bei der Gewerkschaft, sondern auch bei Gesamtmetall auf Ablehnung stoßen. Aber sie zeigen, wo manche Mittelständler die Lohngestaltung gerne wieder hätten: im eigenen Haus.

Denn die Unternehmer machen in diesem Jahr ihre ganz eigene Rechnung auf, wenn es um Tarifangebote geht. Nach dieser Rechnung müssen sie schon mit höheren Kosten rechnen, auch ohne Lohnsteigerung. So schlägt die 35-Stunden-Woche, wenn sie denn im Oktober kommt, 1995 mit 0,7 Prozent Kostensteigerung zu Buche. Die Kürzung der Sonderzahlungen vom vergangenen Jahr wird in diesem Jahr wieder zurückgenommen, auch schlägt die Lohnerhöhung vom vergangenen Jahr voll durch, ohne „Nullmonate“. Fazit: 2,3 Prozent mehr Lohnkosten laut VMU. Bei einer nominalen Lohnsteigerung von 3,5 Prozent müßten die Unternehmer also insgesamt 5,8 Prozent mehr Lohnkosten zahlen, rechnen die Mittelständler vor. Zuviel, finden sie.

Die Kürzungen bei den Sonderzahlungen und die „Nullmonate“ vom vergangenen Jahr erweisen sich somit im nachhinein als trügerische „Kostenentlastungen“. Solche „Geschenke“ aus mageren Zeiten könne man eben „nicht zweimal berechnen“, meint Bartholomäus Pfisterer, Sprecher der IG Metall in Bayern.

Davon, daß sich die Zeiten aber gebessert haben, merken viele Mittelständler nichts. Sagen sie zumindest. Zu komplex ist die Branche geworden, zu aussageleer sind die Durchschnittszahlen der Gesamtwirtschaft. Wer, wie die Autozulieferer, im internationalen Preiskampf steht, kann Kostenerhöhungen nicht über gestiegene Preise weitergeben. Und wer sein Unternehmen schon seit längerem in die roten Zahlen steuerte, dem nützt auch die Konjunktur nichts. In diesem Jahr wird ein Rekord an Firmenpleiten erwartet. Schwächere Betriebe, die in Zeiten hohen Wachstums noch mitschwimmen konnten, kippen jetzt nach und nach ab.

Vor einer größeren Öffnung der Tarifverträge nach unten und allzuviel betrieblicher Gestaltungsfreiheit haben aber auch manche Arbeitgeber Angst: denn immerhin gewährt ein gewisses Maß an Lohngleichheit auch eine Kostengleichheit gegenüber der Konkurrenz. Im vergangenen Jahr waren die Beschäftigten aufgerufen, „längerfristig“ zu denken. Jetzt wird sich erweisen, ob auch die Mittelständler über Weitsicht verfügen. Barbara Dribbusch