Im Zweifel für die Wehrmacht

■ Bundesgerichtshof bestätigt Verjährung bei Wehrmachts-Morden in Italien

Karlsruhe (taz) – Ein Kriegsverbrecher bleibt frei. Die Morde im italienischen Caiazzo, wo am 13. Oktober 1943 Wehrmachtsoldaten 22 Menschen mit Bajonetten, Maschinengewehren und Handgranaten töteten, sind nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs verjährt.

Der 2. Strafsenat des Karlsruher Gerichts bestätigte damit gestern ein Urteil des Landgerichts Koblenz, das das Verfahren gegen den ehemaligen Wehrmachtsoldaten Wolfgang Lehnigk-Emden eingestellt hatte. Haftentschädigung wird der 72jährige allerdings nicht bekommen. Die Bundesrichter rügten die Koblenzer Entscheidung, ihm für die Untersuchungshaft rund 2.000 Mark zuzugestehen.

Ausschlaggebend für die Karlsruher Entscheidung war die Frage, ob Lehnigk- Emdens Verbrechen seinerzeit „kriegsgerichtlich geahndet worden wären“ oder ob das „nach dem mutmaßlichen politischen oder tatsächlichen Willen der damaligen politischen Führung [das heißt des Hitler- Regimes; d. Red.] unterblieben wäre“. Ausdrücklich verwies der Vorsitzende Richter Burkhard Jähnke auf die Verfahren gegen Mauerschützen, deren Strafverfolgung unter der SED-Herrschaft unmöglich gewesen wäre. Für die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wollte er das jedoch nicht gelten lassen. Nach Karlsruher Meinung ist es nicht völlig ausgeschlossen, daß die Wehrmacht Lehnigk-Emden bestraft hätte, wenn sie denn von den Vorfällen in Caiazzo gewußt hätte. Jähnke: „Der Senat hat Zweifel, und die sind für die Entscheidung tragend. Er kann nicht feststellen, daß die Tat im Falle ihres Bekanntwerdens unverfolgt geblieben wäre.“ Zudem habe es sich um eine Exzeßtat gehandelt. „In so einem Fall wäre die kriegsgerichtliche Maschinerie angelaufen, schon allein, um die sogenannte Manneszucht zu bewahren.“

Ein Gutachter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes habe zwar Gegenargumente gebraucht, „die aber den Senat nicht überzeugen konnten“. Der Gutachter hatte erklärt, der „Führerbefehl“ Hitlers von 1942, der die Bekämpfung von Partisanen „mit den allerbrutalsten Mitteln“ und ohne Rücksicht auf Frauen und Kinder angeordnet habe, sei auch für Italien gültig gewesen. Richter Jähnke: „Die Befehle gegen Banden galten im Osten, wie der Senat annimmt, nur im Osten.“

In den letzten Sätzen der Karlsruher Entscheidung klingt so etwas wie Bedauern an: „Der Senat stellt fest, daß dieses Urteil materiell nicht befriedigen kann, ist aber an die Rechtslage gebunden.“

Andrea Dernbach Kommentar Seite 10