Freitag ohne Zahltag

■ Fehlen der linken Wochenzeitung "Freitag" schon bald die linken Millionen? Die Mediengruppe Schmidt & Partner will aus dem Ost-West-Projekt aussteigen

Jahrelang fiel die Berliner „Mediengruppe Schmidt & Partner“ (MSP) durch spektakuläre Übernahmen auf: Von Titanic bis Junge Welt spielte die linke Aufkäufertruppe gern die Rolle des Retters bedrohter Medienobjekte. Jetzt läßt sie selbst das erste fallen.

Redakteuren und Herausgebern der Berliner Wochenzeitung Freitag eröffnete es ihre Geschäftsführerin Maruta Schmidt Anfang Februar denkbar kurzfristig: Ab April, so hieß es, müsse man sich nach einem neuen Geldgeber umsehen. Für dieses Jahr werden Schmidt & Partner die Verluste der „Ost-West-Wochenzeitung“ nicht mehr tragen. „Wir sind dazu nicht mehr in der Lage“, so Maruta Schmidt zur taz. Daß Finanznöte bei MSP für die überraschende Aufkündigung des Verlagsvertrags verantwortlich sind, wird von Beobachtern bezweifelt. „Probleme des Verlages, der die Junge Welt finanzieren will“, macht etwa Freitag-Herausgeber Wolfgang Ullman als Ursache aus. Die Auflage der ehemaligen FDJ-Tageszeitung Junge Welt befindet sich, von einer aufwendigen Neukonzeption unbeeindruckt, im freien Fall. MSP hatten das Blatt des konkret-Chefs Hermann Gremliza stramm auf Linie der radikalen West-Traditionslinken gebracht. Eine klare Ausrichtung, die beim Freitag mißlang: „Immer wieder“, berichtet ein Mitarbeiter aus dem inner circle, hätten die Verleger versucht, „uns auf PDS-näheren Kurs zu bringen“. Das Blatt habe eine Art „Brain-Trust außerhalb der PDS“ bilden sollen, vermutet er. Als das nicht gelang, sei der Freitag (der sich selbst als „linksbürgerlich“ bezeichnet) vom „Aushängeschild“ zum „Hemmschuh der Verlagsstrategie“ geworden.

Nach dem plötzlichen Aus rückt die Redaktion jetzt etwas hilflos einen Spendenaufruf auf Seite 1 ein. Die Krise trifft ein Blatt, das Krisen aller Art gewöhnt ist. Ihre Vorgeschichte hat viel zu tun mit den krummen Enden, die klare ideologische Linien oft haben. Im vereinigungsjungen November 1990 kam der Freitag frisch an die Kioske, selbst Produkt einer Mesalliance, die an Delikatesse das staatliche Beitrittsdurcheinander mühelos übertrifft. Der Sonntag, die eine Hälfte der Verbindung, war die einzig lesbare Zeitung der DDR. Die Crème des engen Feldes an unverbogenen Journalisten, das Parteilichkeitsgebot und Kaderpolitik zurückgelassen hatte, verfaßte hier feuilletonistische Wunderwerke. Die Düsseldorfer Volkszeitung dagegen, der andere Ahne des neuen Titels, war eine Hinterlassenschaft aus den Westpropaganda-Aktivitäten der SED.

In Berlin begann die recht heterogene Redaktionstruppe eine Zeitung zu produzieren, der zwischen allerhand meinungssicheren Bleiwüsten immer wieder auch spannende Themenzugänge und subtile Sichtweisen gelingen. Das streng ost-west-quotierte Team litt dabei unter dem Abgang seiner besten Ost-Köpfe: Jutta Voigt, Regine Sylvester, Renate Rauch, Christoph Dieckmann.

Um Leser- und Autorenschwund aufzuhalten und den Dauerstreit der Redaktion zu entschärfen, wurde ihr bald ein illustres Herausgeberquintett zur Seite gestellt: Neben Ullmann sollten Günter Gaus, Gerburt Treusch-Dieter (Mitherausgeberin „Ästhetik und Kommunikation“) und Christoph Hein beim Stochern im postkommunistischen Chaos helfen.

Die Positionierung bereitet bislang Schwierigkeiten. „Zwischen Zeit und FAZ“, aber quer zu den etablierten Mediensichtweisen, möchte etwa der Bürgerrechtler Ullmann das Blatt ansiedeln, während Gaus gern „die Marksteine: immer antifaschistisch, niemals antikommunistisch“ einschlagen würde. Gegen die Dominanz der Platzhirsche von gestern will der Freitag mit langen Texten und Ost- West-Themen seine Nische finden. Ein enges Plätzchen bislang. Bei einer Auflage von knapp 24.000 (zwei Drittel West) scheint die Gewinnzone fast unerreichbar. Nach Informationen der Süddeutschen sind die Jahres-Abo-Erlöse im ersten Quartal bereits aufgebraucht. Demnach müssen die jährlichen Verluste auf an die fünf Millionen Mark geschätzt werden.

Der Inhalt der Schmidt-Schatulle, die die Nischenexistenz des Freitag bislang ermöglichte, gehört zu den bestgehüteten Geheimnissen nicht nur der linken Medienszene. Maruta Schmidt und ihr Partner Erik Weihönig, ehemals Apo-Aktivisten mit besten Ost- Kontakten, dann Kader des Westberliner SED-Ablegers SEW, begannen in den Spätsiebzigern mit einer eher bescheidenen Klitsche, dem Buchunternehmen ElefantenPress. Der Zusammenbruch des Sozialismus brachte der Verlegertruppe um Schmidt und Weihönig Glück: Besonders die Übernahme des ehemals FDGB-eigenen Druck- und Verlagskomplexes Tribüne gilt in der Branche als Coup. Binnen kurzem schnellte der Umsatz auf über 40 Millionen Mark (1991). Seitdem standen die Aufkäufer aus Treptow noch bei jedem Objekt auf der Matte, das als links und defizitär oder als „ost“ und pleite gilt. Selbst Verlustfälle wie die Junge Welt verkraftete die Gruppe scheinbar mühelos. Von Verlagsobjekten, die Gewinne abwerfen, ist indes nichts bekannt. Fragen nach der Herkunft der Millionen für die pekuniären Sorgenfälle stochern regelmäßig im dunkeln. Denn verglichen mit der Konstruktion und dem Gebaren des Treptower Linkskonzerns ist selbst das Imperium des Leo Kirch ein Musterbild an Transparenz. Ebenso hartnäckig wie unbewiesen hält sich die Vermutung, die schillernde Truppe finanziere ihre linke Medienmacht aus Teilen des verschwundenen SED-Vermögens – das auf diesem Wege nebenher gewaschen werde. Beim geschaßten Freitag weiß man, daß mit Leserspenden das hochdefizitäre Projekt nicht zu retten sein wird. Auf der Suche nach einem Investor, der einen gehörigen mäzenatischen Schwung mitbringen müßte, reißt sich insbesondere Günter Gaus „ein Bein aus“ (Ullmann). Bislang stocken die Verhandlungen vor allem an der Frage der Altschulden des Freitag, dem Vernehmen nach „eine erkleckliche Summe“. Für Günter Gaus ist die Finanzkrise des Freitag kein Urteil über seine Qualität: „Es beweist immer mehr über die Medienlandschaft als über das einzelne Objekt.“ Drei Wochen, drei Freitage bleiben dem Ex-Diplomaten noch zum Verhandeln. Eckehard Meier