Li Peng auf der Suche nach dicken Freunden

■ Brief an Kohl: Keine Kritik an Menschenrechtsverletzungen, bitte!

Bonn (taz/dpa) – „Sagst du laut, wie häßlich ich bin, so kauf' ich nicht mehr bei dir im Laden.“ Mit dieser Drohung versucht die chinesische Regierung zu verhindern, daß die in Genf tagende UN-Menschenrechtskommission Pekings gravierende Menschenrechtsverletzungen verurteilt. In einem gestern bekanntgewordenen Brief an Helmut Kohl hat Chinas Ministerpräsident Li Peng den Bundeskanzler persönlich gebeten, sich dafür einzusetzen, daß die Resolution nicht eingebracht wird. Li Peng zog in seinem Schreiben eine direkte Verbindung zwischen dem Funktionieren der Wirtschaftsbeziehungen und einer Abstinenz in Fragen der Menschenrechte. Die Genfer Resolution, so warnte er, werde in Peking als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ verstanden. Außerdem wurden die Botschafter Deutschlands, Frankreichs und Spaniens sowie die Missionschefs der USA und Japans ins Außenministerium in Peking zitiert. Kanzler Kohl sah gestern keinen Anlaß, diese chinesische Zumutung zurückzuweisen. Kohl verstehe den Brief nicht als Versuch, Druck auf Bonn auszuüben, hieß es gestern im Kanzleramt. Für die Regierung ergebe sich „kein aktueller Handlungsbedarf“, Frankreich habe als EU-Ratsvorsitzender das Schreiben beantwortet.

Die chinesische Intervention nützt vermutlich nichts, denn die Resolution wurde bereits am Mittwoch in Genf eingebracht und soll voraussichtlich am kommenden Dienstag verabschiedet werden. Nach Auskunft des deutschen Delegationsleiters in Genf, Gerhard Baum (FDP), verlangen die Europäer in der Resolution von China unter anderem, die kulturelle, religiöse, ethnische und sprachliche Identität der Tibeter zu achten.

Das Auswärtige Amt wollte den Brief Li Pengs gestern nicht kommentieren. In den vergangenen Jahren hatte Peking Abstimmungen über ähnliche Entwürfe durch Druck auf Regierungen der Dritten Welt verhindert. In diesem Jahr gelten die Chancen für eine Verabschiedung als günstiger, obwohl Peking weltweit um Verbündete beim Totschweigen geworben hat.

Die Bundestagsabgeordnete Renate Köster-Loßack (Bündnis 90/ Die Grünen) kritisierte gestern, daß Kohl den Pressionsversuch nicht zurückgewiesen habe. Der Brief sei „eine unglaubliche Unverfrorenheit“, werde aber von der Bundesregierung aus Rücksicht auf die Beziehungen zu Peking „in unzulässiger Weise heruntergespielt“. Hans Monath