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DebatteNie wieder Gießkanne

■ Die erste Amtstzeit Helga Trüpels: Pech mit dem Hauspersonal, Mut in der Kulturpolitik

Wahlzeit; Zeit für den Kassensturz: Was kann sich das Kulturressort, das erste seiner Art, an Erfolgen anrechnen, was bleibt an Defiziten? Zeit auch für die Frage nach dem Personal: Saßen die richtigen am rechten Platz? Am nächsten Wochenende wird der Bremer Landesverband der Grünen über Programme und Namen entscheiden, mit denen künftig Politik gemacht werden soll. Helga Trüpel, die erste Kultursenatorin im Lande, hat sich abermals beworben, um als Spitzenkandidatin für die Bürgerschaft zu fungieren. Doch wer jetzt allein über Trüpel diskutieren will, wer sie wahlweise bejubelt oder ihren Kopf fordert – der macht es sich zu einfach.

Denn zur Ressortspitze gehören neben der Senatorin auch ihr Staatsrat und ihre Sprecherin. Und da muß man der Chefin schon attestieren, daß sie nicht das glücklichste Händchen hatte, wenn es um die Wahl und Führung der Getreuen im eigenen Hause ging. Erst mußte der Brausekopf Hoplitschek, erster Pressesprecher Trüpels, schon nach kurzer Amtszeit abgeschoben werden; auch Sprecherin Nummer zwo, Ilse Scheinhardt, hielt es nicht viel länger aus. Barbara Loer, als mit so ziemlich allen Wassern gewaschene Koordinatorin des Hauses, führt seither dieses Geschäft noch mit. Auch hätten wir schon einen neuen Staatsrat an Trüpels Seite – wenn nicht der späte Versuch, den allzu umtriebigen Gerd Schwandner kaltzustellen, durch ungeschicktes Taktieren im letzten Herbst gescheitert wäre.

Tatsächlich stellte sich das Gespann Trüpel/Schwandner nicht gerade als Traumpaar der Kulturszene dar. Bei ihrer Prinzenwahl hatte Trüpel möglicherweise die Vorstellung, daß der feurige Schwabe Schwandner die alteingesessene Kulturverwaltung mal auf Trab bringen könnte – leider blieb es bei der bloßen Vorstellung. Im Gegenteil: Das Temperament des Staatsrats brachte dem Ressort die schlimmsten Schlappen, die peinvollsten Auftritte ein.

Unvergessen Schwandners Frontalangriff auf den Kunstverein: Mit dem Drive des allesbesserwissenden Kulturmanagers schlug er den Kunstleuten ein Strategiepapier vor mit dem schneidigen Titel „Unser Kunstverein soll schöner werden“. Dann die vollmundig ausposaunten Vorhaben: eine „Toulouse-Lautrec“-Schau aus den Staaten und ein ausgreifendes Walfisch-Spektakel im Überseemuseum – all diese Versuche des Kulturressorts, selbst als Kulturveranstalter in Erscheinung zu treten, sie gingen rauschend den Bach hinunter. Und keine Senatorin, die den Raser stoppen konnte. Und kein Staatsrat, der die Senatorin besser beraten hätte. Zuletzt riß das Debakel um das „Kunstforum am Markt“ alle beide, Trüpel und Schwandner, ins Verderben, oder doch in Mißkredit, und zwar bei allen übrigen Kunsthäusern der Stadt.

Bleibt die Frage: Was ist – trotz dieser unglücklichen Konstellation – an Erfolgen sichtbar? Und da muß man der Chefin attestieren, daß sie schon staunenswert Vieles in (wenn auch langsame) Bewegung gebracht hat. Vieles, was unter der dicken Staubschicht von 20 Jahren sozialdemokratischer Kulturpolitik vor sich hindämmerte, ist zu neuem Leben erwacht. Und das trotz der z.T. unverschämten Attacken des Finanzsenators, der Kultur den letzten Grund unter Füßen wegzuzerren.

Nein: Der Kulturetat hat sich nicht verdoppeln lassen. Aber Trüpel hat ihren 130-Millionen-Haushalt über alle Sparrunden retten, ja: sogar leicht erhöhen können. Daß sich mit der drastisch verschlechterten Haushaltslage all die vollmundigen Pläne der Koalitionäre nicht mehr umsetzen ließen, hat die Ressortsspitze beizeiten erkannt. In der Mitte der Regierungszeit formulierte Trüpel ihre Ansprüche neu. Und hat seither vieles davon angepackt und durchgebracht. Drei Leitlinien sollte es geben: Umbau der „klassischen Institutionen“, Sicherung der „freien und soziokulturellen Szene“; Förderung „neuer künstlerischer Ansätze“. Und in der Tat: Das Theater spielt wieder – mit weniger Geld, mehr Erfolg und einer vieldiskutierten Intendanz; die freie Szene lebt, mit oder ohne Geld des Ressorts: die Shakespeare-Company mit einem festen Haushaltstitel, das Junge Theater mit Projektförderung; und mit der Betonung Neuer Musik hat die Senatorin einen deutlichen Akzent gesetzt, der weit vom Mainstream anderer Städte entfernt ist.

Vor allem aber hat Trüpel mit der unseligen Tradition der SPD-Kulturpolitik gebrochen, alle Bedürftigen halt irgendwie zu versorgen. Das Prinzip Gießkanne funktioniert nicht mehr, wenn kein Geld da ist, das ausgeschüttet werden könnte. So müssen nun alle Kulturschaffenden, groß und klein, ihre Förderungswürdigkeit begründen – auch, wenn's schwer fällt. Groß war der Aufschrei in der Bremer Soziokultur, als eine (von der Senatorin mitgetragene) Studie den Sinn und Zweck der Häuser infrage stellte. Inzwischen haben sich die Schlachthöfler und Lagerhäusler an die neue Perspektive gewöhnt – und leben, auch ohne die Krücken der ABM-Finanzierung, ganz munter, wenn auch unzufrieden. Auch die Privatisierung der Bürgerhäuser, die geplante Zentralisierung der Büchereien: Beispiele dafür, wie Kulturpolitik trotz leerer Kassen effektiv sein kann.

In dieser Richtung muß es weitergehen. Das gibt Profil genug – so daß man sich linkische Muskelspielchen wie das Kräftemessen mit dem Kunstverein künftig sparen könnte. Wenn Trüpel bleibt und so fortfährt – dann braucht sie allerdings eine Partnerin oder einen Partner an der Spitze, der ihr nicht wieder mit Wonne in die Parade fährt. Sie braucht jemanden, der ihre anregegenden, z.T. aber auch abgehobenen Kulturthesen in die Praxis lenkt. Jemanden, der mit Sachverstand und Umsicht die guten Ansätze grüner Kulturpolitik verwirklichen hilft – und Trüpel braucht jemanden, der sie bei dieser Personalwahl besser berät als bei der letzten. Thomas Wolff

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