KONTAKTE, KOHTAKTbI

■ Der "Verein für Kontakte zu den Ländern der ehemaligen Sowjetunion" feiert sein fünfjähriges Bestehen / "Streetworkers for Democracy" und andere Projekte

Damals wollten sie den Dialog über die Perestroika fördern, heute organisieren sie für den 5.Mai das Konzert „Kaukasischer Frieden“ mit Musikern aus den verfeindeten Ländern Armenien und Aserbaidschan sowie Georgien. Die Geschichte der Aktivitäten des „Vereins für Kontakte zu den Ländern der ehemaligen Sowjetunion“ widerspiegelt im Kleinen, was sich im Großen aus Gorbatschows Perestroika entwickelt hat – neue Freiheiten, aber auch fürchterliche Kriege. „KONTAKTE“, auf kyrillisch „KOHTAKTbI“ geschrieben, feierte gestern sein fünfjähriges Bestehen mit einem kleinen Konzert plus Lesung für die 120 Vereinsmitglieder. Darunter „Promis“ wie die Grüne Hilde Schramm, der Historiker Wolfgang Wippermann, Wirtschaftssenator Norbert Meisner oder Kultursenator Ulrich Roloff-Momin, der 1990 noch als Präsident der Hochschule der Künste den Verein mitbegründet hat.

Aber nicht alle Themen, denen sich „Kontakte“ widmet, haben sich gewandelt. Die Aufarbeitung von Geschichte war und ist bis heute ein Hauptgebiet, berichtet Eberhard Radczuweit, einer der drei übers Arbeitsamt finanzierten hauptamtlichen Mitarbeiter. Zum 50. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion lud „Kontakte“ beispielsweise Musikstudenten aus Petersburg ein, die die im belagerten Leningrad entstandene 7. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch aufführten. Später folgten Konferenzen mit russischen Historikern oder Seminarreisen durch die Dörfer Belorußlands unter dem Titel „Auf den Spuren der Täter“. Und für den diesjährigen Kirchentag im Juni wird derzeit eine Ausstellung zur Auslöschung des Rigaer Ghettos zusammengestellt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Umwelt. Allein das Metallurgie-Kombinat von Norilsk habe 1992 mit über zwei Millionen Tonnen doppelt soviel Schwefeldioxid in die Luft geblasen wie ganz Westdeutschland, schreibt „Kontakte“ in einem Antrag an die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ für das Projekt, Journalisten aus Öko- Notstandsgebieten zum Berliner Klimagipfel einzuladen. Weil das Geld nicht genehmigt wurde, müssen die Journalisten jetzt doch zu Hause bleiben, dafür aber konnte sich die russische Bürgerinitiative „Baikalwelle“ auf einer der regelmäßigen Podiumsdiskussionen im Rathaus Schöneberg vorstellen.

Seit der Katastrophe von Tschernobyl unterstützt die Organisation mit viel Aufwand und Engagement krebskranke Kinder. Nachdem ihr Leiter ein halbes Jahr in einer Berliner Klinik hospitierte, wurde die onkohämatologische Station des Republikskinderkrankenhauses in Moskau völlig neu strukturiert. Erst vor kurzem lieferte „Kontakte“ dort wieder zehn Kubikmeter Medikamente im Wert von über 600.000 Mark ab, die über eine bundesweite Spendenaktion finanziert wurden. „Ein ganz lebendiges Projekt“, freut sich Eberhard Radczuweit, sei auch die Aktion „Ärzte für Ärzte“, die man zusammen mit der Berliner Ärztekammer und den Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW) ins Leben gerufen habe. Hier geht es nicht nur um finanzielle Unterstützung, weil in den Krebsstationen zu Gehältern unterhalb des Existenzminimus gearbeitet wird, sondern vor allem um partnerschaftliche Vernetzung.

Lebendig hat sich auch die „Zukunftswerkstatt Berlin–Moskau“ entwickelt, die nach dem von Robert Jungk entwickelten Kommunikationsmodell arbeitet. Im September letzten Jahres trafen sich Studenten der FU, TU und der HUB mit Kommilitonen von der Moskauer Lomonossow-Universität, um gemeinsam über „Demokratie“ zu reflektieren. Die Deutschen beklagten die zunehmende „Politikverdrossenheit“ und ihre Probleme mit der Repräsentativdemokratie, die Russen berichteten über die Schwierigkeiten, gesellschaftliche Träger für die dringend benötigte Demokratisierung ihres Landes zu finden.

Nach dem Seminar gründeten die Moskauer die „Streetworkers for Democracy“, um in Schulen und Kindergärten in Rollenspielen „Demokratie“ zu üben. Wenigstens eine kleine Idee im ansonsten ziemlich toten intellektuellen Milieu. Seit sich Präsident Jelzin im Tschtschenien-Krieg desavouierte, berichtet Radczuweit von seiner jüngsten Moskaureise, werde die Resignation in der Intelligenzija immer größer: „Sie wendet sich von der Politik ab und verschwindet in Nischen.“ Ute Scheub

„Kontakte“, Fritz-Elsas-Straße 9–10, 10825 Berlin, Tel. 8549811