Lehrstunde in der Höhle des Löwen

■ Klaus Töpfer diskutierte in der Berliner PDS-Hochburg Prenzlauer Berg über die Einführung von Vergleichsmieten

Berlin (taz) – Transparente mit der Forderung nach Mietenstopp, vor dem Podium der Schriftzug „Wir bleiben alle“, die Kanzel diskret in die Ecke geschoben: In der Gethsemanekirche im Berliner Altbauquartier Prenzlauer Berg standen am Donnerstag abend weltliche Dinge im Vordergrund. Über zweitausend Ostberliner Mieter waren gekommen, um Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) die Meinung zu sagen. Über die Einführung der Vergleichsmieten, über Wohngeld und überhaupt.

Daß sich der Bauminister – trotz dringenden Abratens des Berliner Bausenators Wolfgang Nagel (SPD) – in eine Gegend gewagt hatte, in der seine Partei das Dasein einer Splittergruppe führt, wurde mit anerkennendem Beifall honoriert. „Ich bin nicht gekommen“, meinte Töpfer gleich zu Beginn, „um meine vorgefertigte Meinung bestätigt zu finden, sondern um eine sachliche Diskussion zu führen.“

Statt mit Eiern hatte es Töpfer also nur mit Argumenten zu tun. „Die neuen Mieterhöhungen sind ein Betrug am Einigungsvertrag“, erinnerte die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstätt an die vorgesehene Anpassung der Mieten an die Einkommen. Mehr als ein Drittel der Ostdeutschen, meinte Eichstätt, seien aufgrund ihres Einkommens sogar sozialwohnungsberechtigt. Es sei deshalb nicht nur widersinnig, die Mieten um 20 Prozent zu erhöhen, sondern auch, daß es versäumt wurde, einen Teil des Ostwohnungsbestands als Sozialwohnungen auszuweisen.

Einig wußte sich Eichstätt mit dem PDS-Abgeordneten Klaus-Jürgen Warnecke und dem Chef des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, daß ohne eine Begrenzung des Mietanstiegs bei Neuvermietungen eine Mietenexplosion bevorstehe. Sollte der für die nächste Woche zur ersten Lesung im Bundestag erwartete Gesetzentwurf Töpfers eine solche Begrenzung nicht vorsehen, werde man dem Gesetz die Zustimmung verweigern, hatten zuletzt die ostdeutschen SPD-Bauminister gedroht.

Doch weder die SPD noch die PDS, für die Stefan Heym bei der letzten Bundestagswahl das Direktmandat im Prenzlauer Berg errungen hatte, sprachen am Donnerstag den Mietern aus der Seele, sondern allein die souveräne Franziska Eichstätt. „Warum“, fragte sie unter stürmischem Beifall, „soll für die Menschen im Osten die Vergleichsmiete binnen zweieinhalb Jahren eingeführt werden, während den Westberlinern 1987 eine Übergangszeit von sieben Jahren zugestanden wurde?“

In der nächsten Woche will der brandenburgische Mieterverein Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln, die Grünen kündigten Aktionswochen an.

Nicht nur Bauminister Töpfer, der versichert hatte, auch zum Lernen in den Prenzlauer Berg gekommen zu sein, wird mit Erstaunen festgestellt haben, daß sich die Bündnisgrünen zur eigentlichen Opposition gegen die Wohnungspolitik der Bundesregierung aufgeschwungen haben. „Wenn das so weitergeht“, scholt SPD-Vordenker Tilman Fichter am Ende der Veranstaltung den blassen SPD- Vertreter Otto Edel, „dann werden nicht die SPD und die PDS, sondern die Grünen und die PDS bei der nächsten Wahl hier das Bundestagsmandat unter sich ausmachen.“ Uwe Rada