Regierungsumbildung in Polen perfekt

■ Ministerpräsident Oleksy akzeptiert auch den dritten Ministervorschlag Lech Walesas / Linkskoalition lenkt ein / Gesamtkabinett im Parlament vorgestellt

Warschau (rtr/AFP/AP) – Polens Präsident Lech Walesa und die Linksregierung haben gestern ihren monatelangen Streit vorerst beigelegt und den Weg für eine neue Regierung unter Führung des neuen Ministerpräsidenten Jozef Oleksy (SLD) freigemacht.

Nach einem Treffen mit dem Präsidenten sagte Oleksy, er habe sich mit Walesas Kandidaten für das umstrittene Amt des Verteidigungsministers, dem parteilosen früheren Vize-Außenhandelsminister Zbigniew Okonski einverstanden erklärt. Schon am Donnerstag abend war eine Einigung in der Frage der Besetzung zweier weiterer Schlüsselressorts eingetreten: Neuer Außenminister soll der parteilose Historiker und Diplomat Wladyslaw Bartoszewski werden, Innenminister bleibt der ebenfalls parteilose Andrzej Milczanowski, auch ein Walesa-Kandidat. Die Koalition rechnet damit, daß das Kabinett spätestens am Montag im Parlament bestätigt wird. Oleksy, der nach einem konstruktiven Mißtrauensvotum gegen Waldemar Pawlak am Mittwoch vom Parlament zum neuen Ministerpräsidenten gewählt und mit der Bildung der neuen Regierung beauftragt worden war, akzeptierte die Personalvorschläge Walesas, der nach polnischer Verfassung ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Ressorts Äußeres, Inneres und Verteidigung hat.

Nach Oleksys Worten hätte die Koalition aus der exkommunistischen Demokratischen Linksallianz (SLD) und der Bauernpartei nicht die Kandidatur Okonskis kritisiert, sondern die Art und Weise, wie sie von Walesa vorgebracht worden sei. Die Koalition hatte darauf bestanden, daß Walesa der Ernennung der Minister nicht zustimmen müsse, sondern nach der Verfassung lediglich konsultiert werden müsse. Nachdem Walesa damit gedroht hatte, ein neues Kabinett nur dann zu vereidigen, wenn seine Personalvorschläge akzeptiert würden, zeigten sich die beiden Koalitionsparteien dann doch noch „kompromißbereit“. Ein Sprecher der Demokratischen Linksallianz (SLD) Oleksys, Zbigniew Siemiatkowski, sagte, die Koalition habe durch den „Kompromiß“ mit Walesa eine politische Krise und eine „Kollision mit dem Präsidenten“ vermeiden wollen. „Unsere höchste Priorität ist derzeit eine rasche Kabinettsbildung, damit die Regierung ihr Programm umsetzen kann“, sagte Siemiatkowski.

Oleksy wollte neben der Regierungserklärung am Nachmittag auch seine Kabinettsliste im Abgeordnetenhaus vorlegen. Zahlreiche Minister der bisherigen Koalition sollen in ihren Ämtern bleiben. Änderungen werden im Agrar-, Justiz-, Bildungs- und Industrieressort erwartet. Oleksy selbst hatte angekündigt, er wolle die Reform von Politik und Wirtschaft sowie die Westintegration Polens engagiert vorantreiben. Ebenso, wie der nun als Außenminister benannte Batoszewski setzt er sich für eine enge und gute Zusammenarbeit mit Deutschland ein.

Walesa, der seit Monaten den Sturz der Linksregierung betrieben hatte, kündigte unterdessen in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN an, daß er weiter auf Neuwahlen drängen wolle. „Ich habe es schon versucht und werde es weiter versuchen“, sagte er. In dem Fernsehinterview ließ der Präsident, dessen Amtszeit im Herbst ausläuft, auch erkennen, daß er sich im Fall vorgezogener Neuwahlen nicht unter allen Umständen um eine Wiederwahl als Präsident bemühen werde. Wenn Neuwahlen die Lage in Polen verbessern und Reformen schneller als bisher vorantreiben würden, bräuchte er nicht wiederkandidieren. Andernfalls wolle er aber weiter „an der Spitze stehen und den Kurs korrigieren“.

Portrait S.11