Kontrollierte Kontrolleure

■ Ganz „nebenbei“ wurde nicht nur eine fälschlich Tatverdächtige abgehört, sondern auch der Mitarbeiter eines GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Von Jürgen Oetting

Die Telefongespräche von Bürgerschaftsabgeordneten und ihren Mitarbeitern können abgehört werden - und sie werden abgehört. Das beweisen Abhörprotokolle, die dem GAL-Abgeordneten Manfred Mahr und der taz zugespielt wurden. Im Rahmen einer Telefonüberwachung, die dem Insassenvertreter der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, Anstalt II, Armin Hockauf, galt, wurden auch Gespräche mit dem Mahr-Referenten Peter Mecklenburg mitgehört und protokolliert. Statt diese Gesprächsnotizen unverzüglich zu vernichten, weil sie nicht zur Sache gehörten, wurden sie ausgewertet und in die Ermittlungsakte übernommen.

Der Vorgang: Der Lebensgefährtin Hockaufs, die als Helferin einen relativ häufigen Zugang zum Knast hat, wurde unterstellt, sie bringe Rauschmittel in die JVA. Daraufhin wurde Telefonüberwachung beantragt und richterlich genehmigt. Der Verdacht wurde nicht bestätigt, doch das ist nur ein kleiner Teil dieses erneuten Skandals um Hamburgs Justizbehörde.

Nicht nur Telefonate, die die Hockauf-Freundin in den Knast führte, wurden akribisch festgehalte. Obwohl die beamteten Lauscher jeweils die Spreu vom Weizen trennten, also nicht jedes der Gespäche protokollierten, hielten sie einige ganz genau fest, die nicht das geringste mit dem Tatverdacht zu tun haben. Darunter Gespräche der bespitzelten Frau mit Mitarbeitern der Justizbehörde und eben auch die Gespräche mit dem Referenten der GAL-Bürgerschaftsfraktion Mecklenburg.

Diese Gesprächsprotokolle wurden rechtswidrig in die Ermitt-lungsakte (Hockauf-Freundin) aufgenommen. Und sie wurden von der Staatsanwaltschaft an interessierte Justiz-Bürokraten weitergegeben: Am 13. Januar forderte der Sicherheitsbeauftragte des Strafvollzugsamtes, Hans Seemann, bei der Staatsanwaltschaft die komplette Ermittlungsakte an. Seemann bezeichnete sich bei seiner Anforderung als Beauftragter für „Organisierte Kriminalität“. Er erhielt die Akte auf Weisung von Staatsanwalt Stechmann unverzüglich – mit dabei auch die Protokolle der Telefongespräche zwischen der Hockauf-Partnerin und dem GAL-Referenten.

Seemann – so schätzt es Manfred Mahr ein – hat ein unmittelbares Interesse daran, die politischen Pläne der GAL zu erfahren und zu durchkreuzen. Immerhin hat die GAL in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich auf Mißstände in den Justizvollzugsanstalten hingewiesen. Seemann gilt als Hardliner in der Justizbehörde, der versucht, liberale Ansätze im Strafvollzug zu konterkarieren.

Mahr erkennt in den beschriebenen Vorgängen mindestens zwei eklatante Rechtsbrüche: Erstens hätten die ausgewerteten Telefonprotokolle, die nicht zur Sache gehörten, sofort gelöscht beziehungsweise vernichtet werden müssen (§ 100 b (6) der Strafprozeßordnung). Zweitens sei die Aktenherausgabe durch die Staatsanwaltschaft an Dritte (hier das Strafvollzugsamt) verboten.

Mahr hält es für eine den Rechtsstaat gefährdende Tatsache, daß die gewählten Kontrolleure (also Bürgerschaftsabgeordnete und ihre Mitarbeiter) von den Kontrollierten (Strafvollzugsamt) heimlich kontrolliert werden. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader konnte aus Datenschutzgründen zu dieser Abhörangelegenheit keine Stellungnahme abgeben. Doch die wird garantiert folgen.